Mom-Jeans Fashion

Retro Trends: Warum kleiden wir uns wie unsere Eltern?

Von Ela Gassmann

Beim Jeanskauf gibt es eine kleine, aber lebenswichtige Bewegung. Die Mädchen wissen, wovon ich spreche: Der obligatorische Schulterblick in den Spiegel. Einfach nur, um herauszufinden, wie man denn eigentlich von hinten darin aussieht. Mögliche Fragen, die es unbedingt zu klären gilt, lauten dabei: Betont die Hose meinen Po optimal? Bringt sie ihn in eine schöne Apfelform? Oder sieht er etwas platt darin aus? Tragen die Taschen auf? Und, oh nein, ist das da wirklich eine Delle?

Neuerdings setzt sich allerdings eine Modeerscheinung durch, bei der man sich den obligatorischen Schulterblick sparen kann – ja sogar sparen sollte: Die Mom-Jeans. Auf kaum einem Mode-Blog fehlt sie. Zu ihren Erkennungszeichen gehören der Reißverschluss bis zum Bauchnabel und die eher lockere Passform. Dank diesem Schnitt bringt sie jeden Po gekonnt in Form einer riesigen Birne, die jemand im Rucksack vergessen hat und deshalb nun ganz platt gedrückt ist. Dafür lässt sie immerhin ein bisschen Knöchel frei. In Sachen Sexyness hilft das natürlich auch nicht mehr.

 

Die Ironie als Mode-Statement

 

Der Name der Mom-Jeans, genauso wenig schmeichelhaft wie ihre Passform, kommt nicht von irgendwelchen Müttern – sondern von unseren. Als unsere Generation-Y hauptberuflich Bibi Blocksberg Kassetten hörte und Gameboy spielte, da trugen unsere Muttis diese furchtbar unvorteilhaften Jeans. Die 90er Jahre sind dafür Erklärung genug. Außerdem hatten unsere Mütter ja auch schon mindestens eine Schwangerschaft hinter sich und mussten sich um ihre nervigen Kinder – also uns – kümmern. Dafür macht eine gemütliche statt körperbetonte Hosenwahl natürlich Sinn. Wie aber hat es die Mom-Jeans im Jahr 2015 auf die Fashionblogs geschafft? Und warum bloß wollen wir plötzlich so aussehen wie unsere Mütter?

Eine erste Antwort liefert ein Label, das meistens als Schimpfwort benutzt wird: Hipster. Auch wenn sich niemand selbst so nennen würde, geht die allgemeine Mode der letzten Jahre in diese Hipster-Richtung. Und fast alles, was dazugehört, war in den 90ern schon mal in: Der Schnauzer. Die Hornbrille. Kurze Muscle-Shirts. Over Size. Und bei Männern neuerdings (angeblich) sogar die Wampe, die wir bisher eher von unseren Vätern kannten. Beweise gibt es auf einem ziemlich berühmten Tumblr namens „Dads are the original Hipster“

 

Eltern als Fashion-Vorbild

 

Was dieser Blog blöderweise vergisst: auch unsere Mütter waren die „Original Hipster“. Ist ja ganz logisch: wenn sich die Männer unserer Generation nun modemäßig an ihren Vätern orientieren, dann müssen das Fashion-Vorbild für die Frauen eben ihre Mütter sein. Natürlich nicht so, wie sie heute aussehen, das würde gar nicht gehen – sondern so, wie sie sich früher kleideten. Der Clou ist ja, dass die meisten Mütter die Mode aus den 90ern inzwischen ganz schrecklich finden und sehr bemüht sind, sich modern anzuziehen. Über eine Mom-Jeans wird die eigene Mama also eher den Kopf schütteln als zu sagen: „Wie schön, dann sind wir ja jetzt im Partnerlook.“ Tatsächlich haben unsere Mütter sogar recht, wenn sie sagen wir sehen in diesem 90er-Zeug ganz schrecklich aus. Aber entscheidend für Mode ist derzeit nun mal: Ironie.

Wenn man die Mom-Jeans allerdings als reines Hipster-Ding abstempelt, wird man ihr nicht gerecht. Sie ist außerdem eine kleine Revolution der coolen Mädchen – modisch und ein bisschen feministisch zugleich. Bisher mussten wir Frauen – je nach Trend – mal Schlag tragen, mal Karotte, dabei aber fast immer oben eng und arschbetont. Den Spiegelblick beim Jeanskauf zu machen, war da wie gesagt lebenswichtig, aber auch ziemlich nervig. Deswegen ist es einfach wunderschön, nun getrost darauf verzichten zu können. Weil es bei einer Mom-Jeans sowieso egal ist. Wozu denn Gedanken über meinen Hintern machen, wenn ich eine Hose trage, die selbst Megan Fox‘ Figur verhunzen würde?

 

Die wunderbare Frechheit des Trends

 

Dass den allermeisten Männern die Mom-Jeans deshalb nicht gefällt, ist klar. Und gerade darin liegt ja auch die wunderbare Frechheit des Trends: Wer ihn trägt, den kümmert das überhaupt nicht. Man kann sich mit dem Birnen-Hintern gegen Rollenzwänge und Sexismus wehren – und: sieht dabei sogar noch topmodisch aus. Ich finde, damit ist die Mom-Jeans nicht einfach nur ein doofer Hipster-Trend. Sondern auch ein ziemlich tolles Statement.

 

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Mellovebell