Rechts-Links-Schwäche: Warum sind so viele Menschen betroffen?
Die meisten haben kein Problem damit, links und rechts auseinanderzuhalten. Ein beachtenswerter Teil der Menschen hat aber eine Rechts-Links-Schwäche: Warum eigentlich?
Für Menschen ohne Rechts-Links-Schwäche ist dieses Problem gar nicht so leicht nachzuvollziehen: Die meisten wissen einfach instinktiv, wo im Raum sich „links“ und „rechts“ befinden. Auf der anderen Seite haben aber rund 30 Prozent der Menschen heutzutage ihre Schwierigkeiten damit. Woran liegt es also, dass eine scheinbar so einfache Aufgabe so vielen Menschen so schwerfällt?
Was sind mögliche Ursachen?
Was genau die Ursache für eine Rechts-Links-Schwäche ist, darüber ist man sich in der Wissenschaft bislang noch immer unsicher: Schlaganfälle oder Hirnerkrankungen können zwar ein Auslöser sein, für gewöhnlich geht eine Rechts-Links-Schwäche aber mit nichts von beidem einher. Das allein kann es also schon mal nicht sein.
Auch ein Zusammenhang mit dem IQ oder dem Geschlecht einer Person lässt sich nicht eindeutig belegen. Menschen mit Rechts-Links-Schwäche sind nicht „dümmer“ als andere und Frauen scheinen entgegen gängiger Meinung nicht häufiger davon betroffen zu sein (zumindest ist die aktuelle Forschungslage dazu nicht eindeutig).
Eine relative Angelegenheit
Eine andere Theorie macht die Evolution, oder vielmehr die Menschheitsgeschichte dafür verantwortlich. Das Konzept von „links“ und „rechts“ ist nämlich gar nicht so alt, wie viele vielleicht denken. Stell dir dazu einmal vor, du würdest ohne Orientierung mitten in einem dir unbekannten Wald aufwachen. Welche Wegbeschreibung würde dir da eher helfen?
A: Links halten und nach 500 Metern rechts abbiegen
B: Geh nach Osten
Höchstwahrscheinlich lautet deine Antwort B. Denn solltest du morgens unterwegs sein, musst du einfach nur auf die Sonne zugehen. Am Nachmittag lässt du die Sonne dann buchstäblich hinter dir. Wegbeschreibung A lässt hingegen eine wichtige Information außen vor: Von welchem „links“ reden wir überhaupt?
Die Begriffe „links“ und „rechts“ sind das Ergebnis einer egozentrischen Orientierung. Wir orientieren uns also anhand unserer eigenen Position im Raum. In der Wildnis ist diese Form der Orientierung aber kaum anwendbar: Dort versuchen wir eher, uns an der Umgebung oder den Himmelsrichtungen zu orientieren, also allozentrisch.
Evolution vs. Kultur
Die egozentrische Orientierung ist erst seit kurzem der Standard und das auch eher in „zivilisierten“ Gesellschaften: Andernfalls würden wir uns in unseren Städten kaum zurechtfinden. An Sonne und Umgebung können wir uns dort nur sehr schwer orientieren – an welcher Straße ich wo abbiegen muss, ist da schon hilfreicher. Das bedeutet aber auch, dass die egozentrische Orientierung erlernt werden muss. Sie ist kein angeborener Instinkt.
Womöglich nehmen Menschen mit Rechts-Links-Schwäche ihre Umgebung so wahr, wie es die menschliche Natur vorgesehen hat und wie es in vielen Naturvölkern noch immer gängig ist: allozentrisch. Insbesondere in stressigen Situationen fällt ihnen die egozentrische Orientierung dadurch schwerer, weshalb sie dazu neigen, rechts und links zu verwechseln.
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