Angus & Julia Stone im Interview über Männer, Trinken und Familie

Angus & Julia Stone: „Sag, wenn es dir scheiße geht!“

Von Iseult Grandjean und Celina Ponz

Mit Big Jet Plane haben Angus & Julia Stone damals unser Herz erobert. Nach getrennten Zeiten tourten die lässigen Australier endlich wieder gemeinsam und wir trafen die wahrscheinlich sympathischsten Musiker-Geschwister der Welt vor ihrem Auftritt im Atomic Café in München. Etwas verschlafen saßen die beiden in ihrem Tourbus. Unseren Pfeffi tranken sie trotzdem – unsere Gläser sahen wir danach allerdings nie wieder.

Julia Stone: Pfefferminze? Wow, ihr macht in Deutschland ja echt aus allem Schnaps!

Während Angus und Julia ab und zu ein bisschen an ihrem Glas nippen, exen wir den Pfeffi natürlich hemmungslos-professionell. Julia guckt ein bisschen beeindruckt: „You go, girls!“

ZEITjUNG.de: Was trinkt ihr denn so vor einem Auftritt oder während Aufnahmen? Und sagt jetzt nicht, das macht ihr nicht, wir kennen die Gerüchte…

Julia: Meistens ist es schon schön, was zu trinken. Gestern Abend zum Beispiel habe ich ein bisschen Whiskey getrunken, bevor wir auf die Bühne gegangen sind…

Angus Stone: Ich hatte Wein.

Rot oder Weiß?

Angus (haucht extrem erotisch): Oh, rot!

Um runterzukommen?

Julia: Ja, vielleicht. Aber es wärmt dich auch irgendwie auf.

Angus: Wenn du zuhause mit Freunden Musik machst, gibt es ja meistens auch irgendwo Rotwein. Es lockert einfach die Stimmung.

Julia: Ich glaube, es ist auch ein kleines Ritual von uns als Band: wir schenken uns alle ein Glas ein und stoßen an, bevor wir rausgehen. Da muss man auch gar nicht viel trinken.

Aber wenn ihr dann doch mal einen über den Durst trinkt – wer verträgt mehr – Angus oder Julia?

Julia: Das wäre dann Angus, glaube ich. Ich vertrage einfach nichts. Ich trinke ein paar Gläser Wein und dann ist Feierabend (lacht).

So unter Geschwistern, was bewundert ihr und was nervt euch so richtig am anderen?

Beide überlegen ewig…

Es ist heiß im Tour-Bus. Sehr heiß. Angus fächert sich mit seinem Hemd Luft zu. Julia lächelt. Sie trägt kurze Shorts und Wollsocken. Wir fühlen uns verdammt wohl hier.

Ihr könnt schon ehrlich sein, ihr müsst jetzt nicht so tun, als müsstet ihr lange nachdenken!

Angus: Ich weiß, das ist wahrscheinlich nicht, was ihr hören wollt – aber für mich ist es eher eine positive Sache. Es ist einfach wunderschön, eine Leidenschaft mit seiner Familie teilen zu können, Musik zu machen und die Welt zu bereisen. Und da ist auch kein Konkurrenzkampf. Wenn Julia einen Song schreibt, dann juckt es mich in den Fingern, selbst einen guten Song zu schreiben. Es ist, als würdest du deinen Lieblingsmusiker ein tolles Lied schreiben hören und du denkst: Ja, das kann ich auch…

Julia: … oder, das kann ich besser. (lacht)

Angus: Genau – um Längen besser!

Julia, ich glaube, du hast mal in einem Interview gesagt, ihr würdet über Vieles streiten, aber niemals über Musik. Ist das immer noch so?

Julia: Musik ist kein Ort zum Streiten. Es macht einfach keinen Sinn. Es ist wie das Diskutieren um Kunst, ich finde es so irrelevant. Wie Angus und ich Musik schreiben, ist sehr unterschiedlich. Aber es gibt auch eine enge Verbindung und besonders jetzt, nachdem wir lange einzeln unterwegs waren, haben wir unglaublich viel Respekt füreinander.

Meistens muss man eigentlich auch gar nichts sagen – sondern einfach nur Musik machen. Das ist das Schöne an Musik: man muss nicht reden. Natürlich unterhalten wir uns gern, aber Reden kann so überbewertet sein, Musik ist einfach…hach, einfach.

Viele Stars erzählen gerne, zu welcher Musik sie aufgewachsen sind. Ihr zum Beispiel habt in eurer Kindheit die Beatles gehört, die Eagles und die Songs, die die Coverband eures Vaters gespielt hat. Könnte man sagen, dass die Eltern eine Art Verantwortung für den musikalischen Geschmack tragen?

Julia: Für uns war das, was unsere Eltern gespielt haben, bestimmt hilfreich. Aber ich habe auch so viel schlechte Musik zu meinen Teenagerzeiten gehört, die Spice Girls, Mariah Carey, ich war ein richtiges Mädchen-Mädchen. Aber das ist nicht die Art von Musik, die ich jetzt mache. Auch nicht unbedingt die Musik, die mir jetzt gefällt.

Angus: Ich glaube, für uns war es wichtiger, die Band von unserem Vater zu sehen, die Freude zu hören und das Gelächter, das durch die Wände schallt, wenn du ins Bett musst. Man konnte den Rauch riechen und dann war da diese Musik, es war diese fast schon religiöse Erfahrung als Kind, wenn man sah, wie alle zusammenkamen, um zu trinken und Musik zu machen. Für mich war es weniger die Musik, die unsere Eltern auf Schallplatten gespielt haben, sondern die Musik, die sie selbst geschaffen haben.

Ihr habt vorhin schon erwähnt, dass ihr euer neues Album mit Rick Rubin aufgenommen habt (er hat u.a. Lana del Rey, Red Hot Chili Peppers, Black Sabbath und Kanye West  produziert und ist ein großer Name in der HipHop-Szene). Hat er neue Ideen in eure Songs gebracht oder war er „nur“ der Produzent?

Julia: Rick wollte ein Album aufnehmen, das den spezifischen Sound von Angus und mir aufgreift und nur noch ein bisschen mehr Groove mit reinbringt. Er hat unglaublich gute Beziehungen im Musikbusiness und hat uns mit großartigen Leuten zusammengebracht. Insgesamt ist das Album viel rhythmuslastiger als unsere vorherigen und das ist definitiv Ricks Vibe.

Wo stellt ihr euch denn vor, dass eure Musik gespielt wird? Ist das Bild von euch mit Gitarre am Lagerfeuer unterm Sternenhimmel nur ein fettes Klischee?

Angus leert sich laut glucksend eine halbe Flasche Wasser in den Mund.

Julia: Ein guter Freund hat mir gesagt, dass es sich wie ein richtiges Roadtrip-Album anfühlt. Das war für mich ein riesiges Kompliment. Angus und ich wohnen in Australien 20 Stunden voneinander entfernt und man ist Ewigkeiten auf der Straße unterwegs, um überhaupt irgendwo hinzukommen. Für mich ist das immer ein großartiges Gefühl: Fenster runter, Musik an. Wenn Leute unsere Songs spielen, während sie auf dem Weg zu aufregenden Orten sind, zum Surfen oder an den Strand, dann ist das eine schöne Vorstellung.

In euren Videos zeigt ihr euch auf Reisen, wie ihr gerade gesagt habt, oder beim Holz hacken…

Angus (lacht): In welchem Video hacke ich Holz?

Wir haben es vorhin erst gesehen… Wooden Chair.

Angus: Ahhh. Da zerhacke ich eine Schreibmaschine…

Oh. Naja, auf jeden Fall vermittelt ihr ein Bild von einer reisenden Hippie-Familie, die sehr authentisch wirkt. Aber momentan ist es auch ziemlich in Mode, sich so zu geben. Glaubt ihr, dass es für alle authentisch ist, oder schwimmen die meisten nur mit dem Strom?

Julia: Für einige ist es sicher authentisch, für andere nur ein Style. Mode hat schon immer so funktioniert, dass einige etwas vorgemacht und sich andere dann auch so gekleidet haben. Und das ist auch gut so. Bei dem Burning Man Festival in Amerika spielen manche Geschäftsmänner eine Woche lang Hippie. Ist das wirklich authentisch? Nein. Aber wen interessiert’s. Wenn es ästhetisch ist und uns sinnvoll erscheint, dann ist es egal, was für ein Bild wir von uns erschaffen.

In der ZEIT hat eine Journalistin geschrieben: „
Heute tragen die jungen Männer Bärte und spielen Gitarre. Sie sind lieb, melancholisch und sehr mit sich selbst beschäftigt. Die These wurde in Deutschland kontrovers diskutiert und hat eine Debatte über das Bild des „neuen Mannes“ ausgelöst. Ist es in unserer Gesellschaft heute für Männer noch immer unangebracht, Gefühle zu zeigen?

Angus: Ich finde, wenn jemand aufrichtig und offen ist, dann ist das cool. Fuck all that bullshitund versuche nicht, jemand zu sein, der du nicht bist. Sei standhaft und sag, wenn es dir scheiße geht, wenn dein Herz gebrochen wurde. Vergiss diese ganze Idee vom starken Mann. Mache das, wonach du dich fühlst. Ich glaube das ist attraktiv. Sei frei und hör auf damit, ständig Mauern zu bauen, hinter denen du dich verstecken kannst.

 

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Fotocredit: Jennifer Stenglein