„White Gaze“ in Filmen: Warum Jake Sully aus „Avatar“ kein echter Held ist
Jake Sully als weißer Held der Indigenen: Ist „Avatar“ eine „White-Gaze“-Story? Der neue „Avatar“-Film ist der Blockbuster der Stunde. Doch einige indigene Personen rufen aufgrund der zu weißen Perspektive zum Boykott des Sequels auf. Warum das Phänomen „White Gaze“ nicht neu ist – und woran man es in Filmen wie „Avatar“ erkennt.
„Avatar: The Way of Water“ ist seit Kurzem im Kino zu sehen. Das Sequel ist einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Doch auch wenn die langersehnte Fortsetzung weltweit erfolgreich läuft, gibt es auch jede Menge Kritik am Produzenten James Cameron. Indigene fordern sogar einen Boykott. Der zweite Teil von „Avatar“ sei eine Geschichte, die aus der Perspektive des „White Gaze“ erzählt wird. Cameron romantisiere Kolonialismus und verharmlose das Leid der indigenen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten.
Die Schlüsselpositionen bei der Entstehung dieser Medien – etwa Regie und Produktion – sind nach wie vor meist von weißen Menschen besetzt. Dies beeinflusst die Art und Weise, wie BIPoC medial dargestellt werden. Dies wiederum wirkt sich schlussendlich auf die Wahrnehmung von People of Color in der Gesellschaft aus. Bezugnehmend auf die afroamerikanische Autorin Toni Morrison wird dies auch als „White Gaze“ bezeichnet.
Die Boykottaufrufe machen ein Problem deutlich, das in Hollywood immer wieder vorkommt. Doch wie genau äußert sich der „White Gaze“ in den Filmen, die wir kennen (und lieben)?
Beispiel „Avatar“: Jake Sully und der „White-Savior“-Komplex
Geschichten, die aus der Perspektive des „White Gaze“ erzählt werden, sind oft „White-Savior“-Stories – also Geschichten, in denen nicht-weiße Menschen von weißen Menschen gerettet werden. Werfen wir hierfür einen Blick auf James Camerons Meisterwerk „Avatar“. In dem dreistündigen Epos arbeitet Jake Sully (Sam Worthington) zunächst für die Kolonisator:innen. Jake soll das Vertrauen der Na’vi gewinnen. Dabei lernt er das Leben und die Kultur der Ureinwohner:innen kennen und wird in den Stamm aufgenommen. Jake lernt, die Na’vi zu respektieren und verliebt sich in die Häuptlingstochter Neytiri (Zoe Saldaña).
Aber Jake wird in Avatar nicht nur als Na’vi akzeptiert; er ist besser darin, ein Na’vi zu sein, als die Na’vi selbst. Nach nur drei Monaten als Na’vi-Avatar gelingt es Jake, einen großen Leonopteryx zu zähmen: eine Leistung, die nur fünf Na’vi in der Geschichte ihres Volkes vollbracht haben. Nach dieser Errungenschaft ist es Jake, der die Na’vi in ihrem Kampf gegen die RDA zusammenführt, um Eywa, den Baum der Seelen, zu retten. Auf magische Weise schließen sich die Wildtiere dem Kampf gegen die Eindringlinge an. Neytiri interpretiert dies so, dass Eywa Jakes Gebete um Hilfe erhört hat, obwohl sie ihm zuvor gesagt hatte, dass Eywa in diesem Krieg nicht Partei ergreifen würde. Jake, so scheint es, versteht ihre Gottheit besser als die Na’vi selbst.
Avatar wird aus der Sicht von Jake und nicht aus der Sicht der Na’vi erzählt, vor allem deshalb, weil der Film – wie vieles, was in Hollywood entsteht – auf dem Blickwinkel der Kolonisator:innen basiert. In diesem Zusammenhang stellt sich wie in vielen anderen „White-Savior“-Filmen die Frage: Was sind die Beweggründe der weißen Hauptfigur? Setzt sich Jake gegen die Kolonialisierung ein, weil er als weiße Person seine Privilegien und die Ungerechtigkeit des Systems erkannt hat? Oder setzt er sich nur für die Na’vi ein, weil er sich in Neytiri verliebt hat und sie unter allen Umständen beschützen will?