Jake Sully in "Avatar: The Way of Water"

„White Gaze“ in Filmen: Warum Jake Sully aus „Avatar“ kein echter Held ist

White Gaze: BIPoC werden oft erst im Kontext von weißen Personen relevant

Ein weißer Blick auf die Welt prägt die Geschichten über BIPoC, die in Filmen rezipiert werden. Die Geschichte der BIPoC-Figur spielt in vielen preisgekrönten Filmen nur am Ende eine Rolle: ein typisches Narrativ von White-Saviorism-Filmen, das auch unter dem Begriff „Tokenism“ bekannt ist. Der Aktivistin Alice Hasters zufolge wird eine Person in diesem Zusammenhang nicht als Individuum betrachtet, sondern als Repräsentant:in einer bestimmten Gruppe.

Der dreifach oscarprämierte Film „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ (2018)  ist ein Paradebeispiel dafür: Shirley, ein schwarzer Pianist, tourt zur Zeit der Segregation in den 1960er-Jahren durch die Südstaaten. Er ist erfolgreich, queer und hat einen Doktor in Psychologie. Damit hätte er das Potential, die Hauptrolle in „Green Book –  Eine besondere Freundschaft“ zu spielen. Dennoch nimmt die Tragikomödie die Perspektive von Shirleys weißem, rassistischem Fahrer Tony Vallelonga ein. Vallelonga ist ein italienisch-US-amerikanischer Mann aus der Bronx. Seine schwarzen Mitmenschen nennt er „Auberginen“ oder „Kohle“. 

Im Laufe der Geschichte freundet sich Vallelonga aber mit Shirley an. Am Ende des Films lädt er den Musiker zu sich nach Hause ein, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Mit der Annäherung der beiden endet der Film hoffnungsvoll, da Tony nicht mehr rassistisch zu sein scheint. Es ist eine Szene mit Wohlfühleffekt für die Zuschauer:innen. Auf der großen Leinwand entsteht der Eindruck: Weiße Menschen sind nicht die „Bösen“. 

Das Beispiel „Green Book“ zeigt: Erst im Kontext von weißen Menschen werden BIPoC relevant. Aufgrund der sozialen Missstände werden sie außerdem meist als Opfer definiert. Die Figur des Pianisten Shirley erfüllt nur einen Zweck: Durch sie soll Vallelonga einen Lernprozess durchlaufen, um am Ende als Held aus der Geschichte hervorgehen zu können. Die Geschichte des Musikers beginnt auch erst, als der weiße Fahrer in sein Leben tritt – und endet, als Vallelonga einen ebenbürtigen Menschen in Shirley erkennt. Was am Ende jedoch aus Shirley wird, erfahren die Zuschauer:innen nicht.

BIPoC werden oft stereotyp dargestellt

Das nächste Indiz für den sogenannten „White Gaze“ in Filmen ist die falsche und stereotype Darstellung von BIPoC. Hierfür reicht schon eine kleine Zeitreise in unsere Kindheit: In „Pocahontas“ und „Asterix in Amerika“ zum Beispiel werden indigene Völker als primitiv, gefährlich, übersexualisiert und dumm dargestellt. Beispiele dafür sind eine unverständliche und primitive Lautsprache, übertriebene Zeichnungen, häufige Nacktheit, Brutalität und eine Abwendung von eurozentrischen Normen und Werten.

Wenn BIPoC stereotyp porträtiert werden, kann dies dazu führen, dass diese sich nicht mit ihrer Lebensgeschichte identifizieren können. So geht es auch dem ehemaligen Footballspieler Michael Oher. Seine Geschichte wurde in „Blind Side – Die große Chance“ (2009) verfilmt. Die Welt zitiert die Meinung des Sportlers: „Der Film unterschlägt einen Teil der harten Arbeit, die ich auf dem Spielfeld leiste. Ich fühle mich ein bisschen unter Wert verkauft.“

Besonders störe es ihn, dass er in einigen Szenen trottelig und naiv dargestellt wird. Im Film bringt ihm seine Adoptivmutter bei, wie Blocks und Tacklings funktionieren. Es sieht so aus, als wüsste Michael nur durch sie, wie Football gespielt wird. Um dem Narrativ des Films entgegenzuwirken, hat Michael ein Buch geschrieben, in dem er die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt: „I Beat The Oddo – From Homelessness, to the The Blind Side, and Beyond.“ All diese Stereotypen zeigen BIPoC nur in einer bestimmten Weise mit begrenzten Charakterzügen und einer einfältigen Persönlichkeit.

Nicht rassistisch zu sein, reicht nicht

Blockbuster wie „Avatar“, „Green Book“ oder „Pocahontas“ betrachten andere Kulturen immer noch zu einem großen Teil durch eine weiße Brille und schaffen Geschichten für ein vermutlich weißes Publikum. Die Filme streben nicht nach echter Authentizität. Sie streben nach einer Version von Authentizität, die das weiße Publikum anerkennt und akzeptiert, mit einem weißen Helden am Ruder. Die Kernaussage dieser Storys lautet: „Hey Leute, es gibt auch nette Weiße!“. Doch die Vermittlung dieser Botschaft erfolgt auf Kosten der porträtierten BIPoC. Die Filme verbergen die unangenehme Wahrheit, dass es auch heute noch ein langer Weg zur Gleichberechtigung ist.

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Bildquelle: 20th Century Studios