Bayern-Gefährder-Gesetz

Das neue bayerische Gefährder-Gesetz ist ein Anschlag auf die Freiheit

Es ist die Horrorvorstellung, einfach eingesperrt werden zu können, obwohl man gar nichts gemacht hat. Genau das geht aber seit gestern in Bayern. Und zwar unbegrenzt.

Die Mehrheit der Abgeordneten des Bayerischen Landtags hat unter Führung der CSU ein Gesetz verabschiedet, das genau dies möglich macht. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz erlaubt es der Polizei jetzt, Menschen festzunehmen, von denen man glaubt, dass sie wohl möglicherweise eine Gefahr sein könnten. Es ist kein konkreter Verdacht mehr nötig und keine unmittelbar bestehende Gefahr, um jemanden in Präventivhaft wegzusperren. Es ist wohl mehr so ein Bauchgefühl. Es ist nichts Konkretes mehr. Es ist ein Gesetz, wie es ein Putin, Xi, Erdogan nicht schöner hätte formulieren können.

Es ist die reine Willkür, es ist kein Recht mehr. Alle drei Monate soll die Haft noch durch einen Richter geprüft werden. Aber was soll der eigentlich prüfen, wenn jemandem doch gar keine Tat vorgeworfen werden kann? Lieber immer wieder verlängern, man weiß ja nie, könnte ja eben doch sein, dass vielleicht eines Tages irgendwas passieren könnte?

 

Ist das noch ein Rechtsstaat?

 

Ein Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass die Gesetze klipp und klar sind, dass jeder wissen kann, was strafbar ist und was nicht. In Bayern sollen jetzt nicht mehr klare Regeln gelten, sondern schwammige Allgemeinplätze, in die man alles hineininterpretieren kann. Es gibt in einem Rechtsstaat normalerweise ein Gesetz, an das man sich halten muss. Wenn man das nicht tut, drohen einem Konsequenzen; das konkrete Strafmaß kann man schon vorab im entsprechenden Gesetz nachlesen. Dass man zum Beispiel wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wird, dürfte den meisten auch so bekannt sein. Jedenfalls wird man auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften verurteilt. Wenn man aber gar nichts gemacht hat und trotzdem im Gefängnis landet: ist man dann noch in einem Rechtsstaat? Wenn man dafür nicht mehr verurteilt wird, sondern einfach nur eingesperrt: ist dann nicht die Würde des Menschen angetastet?
 

Wie weit darf man ab jetzt gehen?

 
Es muss für alle gelten: Gewalt ist keine Lösung. Für niemanden. Jemandem die Freiheit zu nehmen, ist allerdings ein in allerhöchstem Maß gewaltsamer Akt. Und gegen den Staat kann man sich auch als einzelner Mensch nur schwer wehren. Dem Staat steht ja das Gewaltmonopol zu. Aber nicht, um es zu missbrauchen, sondern um – so paradox das auch ist – Gewalt zu verhindern und die Schwachen und die Wehrlosen zu beschützen. Es wird ja vermutlich immer Menschen geben, die bereit sind, Gewalt auszuüben. Menschen sind leider so. Nur muss man sich schon fragen, in welchem Verhältnis die Strafe noch zu der Tat steht, wenn es gar keine Tat gibt, die man bestraft, weil die Tat noch gar nicht begangen worden ist. Jede/r regt sich mal auf, jede/r wird auch mal richtig sauer und sagt dann Dinge, die er/sie nüchtern betrachtet doch nicht so ernst gemeint hat. Ist das ab jetzt gefährlich?

 

Horrorszenario aus einem Hollywood-Film

 

Was soll man eigentlich jetzt noch sagen zu so einem Gesetz gewordenen Irrsinn? Die CSU hätte sich von dem Musterbayern Karl Valentin beraten lassen sollen und nicht von einer Wir-können-alle-Menschen-kontrollieren-Allmachtsfantasie. Der wusste schon früh, dass Vorhersagen im Allgemeinen recht schwierig zu treffen seien – „vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“

In dem Film Minority Report geht es ziemlich konkret um dieses Horrorszenario. Drei übersinnliche Wesen, die zusammen in die Zukunft schauen können, sehen Verbrechen voraus, bevor sie begangen werden. „Verbrecher“ werden weggesperrt, bevor sie ein Verbrechen begangen haben. Was für eine wunderbare Welt. Hat nur leider nicht mal mit den übersinnlichen Wesen funktioniert.

An eine Sache aus der Zukunft glaube ich an dieser Stelle einfach trotzdem mal: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das dieses verbrecherische Gesetz in der Luft zerreißen wird.