„Mal muss ich das Zimmer verlassen und pöbel vor mich hin“ – So erleben Menschen gerade ihre Beziehung
Beziehungen sind eh nicht leicht. Noch komplizierter wird’s, wenn eine globale Krise, Lockdown und Home Office hinzukommen. Oder etwa nicht? Wir wollten von mehreren Menschen in Beziehungen wissen, wie sie die Zeit während der Corona-Krise mit ihrem Partner erleben. Über Routinen und räumliche Trennung, was Umzüge in so einer Zeit bedeuten und welchen ganz besonderen Effekt die Corona-Zeit auf die Liebe hat.
Wie empfindest du die Beziehung momentan, während der Corona-Beschränkungen?
Sie: „Intensiver.“
Er: „Ich empfinde es eher als anstrengend.“
Sie: „Nach 2 Monaten hat man sich daran gewöhnt.“
Er: „Sehr schön. Es ist echt eine spannende Zeit, denn man hat einen ganz anderen Tagesablauf zusammen.“
Was ist gerade anders als vorher?
Er: „Ich finde wir sind angespannter, da ich normalerweise durch den Job nicht so viel Zeit zuhause verbringe.“
Sie: „Ich habe das Gefühl, wir sind ausgeglichener und achtsamer geworden. Ich habe viel Yoga praktiziert und er hat sich viel entspannt.“
Er: „Wir sehen uns definitiv noch häufiger als vorher! Beim Arbeiten kann das manchmal schwierig werden, wenn man den anderen ständig im Blickfeld hat.“
Welcher Umstand wirkt sich negativ aus oder ist sehr belastend für die Beziehung?
Sie: „Die räumliche Distanz ist weg und man sieht sich einfach sehr viel, sodass man alle Launen nur an einer Person auslassen kann bzw. nur einer es abbekommt.“
Er: „Die Situationen, in denen man normalerweise rausgeht, um Druck abzulassen und vielleicht mal in eine Bar geht oder mit anderen Menschen sprechen kann, fallen einfach weg und man hat nur die eine Person als Austausch.“
Sie: „Dass ich ununterbrochen zuhause bin und er eigentlich keine Privatsphäre hat und ich mich sogar eher freue, wenn er nach Hause kommt, weil ich natürlich bis dahin alleine war.“
Welcher Umstand stellt unter Umständen ein Gewinn für die Beziehung dar?
Er: „Dass keiner nach unseren Streitereien auf ewig nachtragend ist, finde ich besonders schön.“
Sie: „Dass wir sehr viel Zeit haben, um uns voll aufeinander einzustellen! Wir können all das (wieder) machen, was wir schon immer machen wollte. Uns zum Beispiel gegenseitig vorlesen.“
Er: „Was besonders schön ist, ist dass man gerade jetzt Routine entwickelt, wie gemeinsam Klavier spielen, Lesen, Zeichnen etc. Aber seitdem die Uni und die Arbeit wieder losgehen, ist schon wieder weniger Zeit vorhanden als vorher.“
Wie schaffst du dir Privatsphäre oder forderst dir diese ein?
Sie: „Wir mussten eine neue Art finden, aber das passiert eher spontan und bedarf keiner großen Planung. Wenn ich sage, dass ich mal Zeit für mich brauche, geht eben jeder mal für eine Weile in einen anderen Raum. Und wir binden uns mehr in unsere Tagesplanung ein.“
Er: „Anfänglich gar nicht, war dann mega gereizt. Das hat sich über die Zeit aber abgeschwächt. Autofahren ist sehr erholsam.“
Sie: „Nur am Tag, wobei ich da angespannter bin. Kann jetzt nicht mal eben ein Girly-Filmabend machen. Das sind Dinge, bei denen man sich halt abstimmen muss.“
Wie gehst du mit Meinungsverschiedenheiten um?
Sie: „Wir haben schon ordentlich diskutiert. Ich mag das nicht so gerne, aber er diskutiert gerne mal, wenn wir bei Themen unterschiedlicher Meinung sind. Mal muss ich dann das Zimmer verlassen und pöbel dann vor mich hin, aber dann geht’s wieder. Kleinigkeiten.“
Er: „Mögen tu ich das auch nicht. Mal ist der eine pissig mal der andere, dann klären wir das aber immer und es geht nie länger als einen Tag.“
Sie: „Alles wird ausdiskutiert bis aufs Letzte, auch wenn es unangenehm wird.“
Wie hältst du jetzt die Beziehung frisch?
Sie: „Bei uns wird es nie eintönig, dazu sind wir zu verschieden.“
Er: „Für Frische war da kein Platz. Musste das Zeug in der alten Wohnung einpacken, den Umzug organisieren, mich aufregen, dass die Küche und die Couch nicht rechtzeitig kommen und das Zeug in der neuen Wohnung auspacken.“
Sie: „Wir gehen jetzt joggen, wir machen eigentlich immer neue Sachen, neuer Input war auch der Umzug! Es war davor ein wenig eintönig, aber jetzt durch den Umzug haben wir mehr Platz und einen Garten.“
Er: „Das liegt in meinem Naturell, ich halte es an sich spannend.“
Sie: „Während er nicht da war, hab ich mich zurecht gemacht und ein Tisch gedeckt und lecker gekocht und es so zum Dinner gemacht, als würde man essen gehen.“
Habt ihr als Paar Neues ausprobiert?
Er: „Nö, joggen, kurze Fahrrad- Phase, neue Routinen erfunden. Das ist neu.“
Sie: „Uns gegenseitig unsere Lieblingsfilme zeigen: Ich konnte Ihn dazu bringen „50 Shades of Grey“ mit mir zu schauen und er mich dazu „The Fast and the Furious“ mit ihm, gemeinsamer Sport.
Hat sich euer Sexleben verändert?
Sie: „Ja, es hat sich verändert. positiv.“
Er: „Ja.“
Hat die Quarantäne eure Bindung gestärkt?
Sie: „Nicht gestärkt aber verändert. Dass man zusammen eine Krise bewältigen muss, hat einen auf eine ganz andere Art und Weise zusammengeschweißt und ein neues Band geknüpft. Man wird sich plötzlich über lebenswichtige Dinge einig. In der Partnerwahl bin ich bestätigt.“
Er: „Ich denke es hat sie gestärkt.“
Sie: „Eher gestärkt, weil wir uns noch viel alltäglicher kennen, noch mehr Details voneinander kennen, wie etwa: Wie lange willst du deine Eier gekocht? Oder dass er es nicht mag, wenn Kleidung auf dem Boden liegt, aber das ist alles voll schön.“
Er: „Ja, ich werde auf die Zeit positiv zurückblicken und dass ich sie besser kennenlerne.“
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Bildquellen: Unsplash; CCO-Lizenz