BILD-Doku: Ein Männerzirkel, der sich beklatscht

Eine One-Man-Show

Als streitlustig wird Chefredakteur Reichelt von den Protagonist*innen beschrieben. „Der Julian ist halt so.“, er liebe die Enthüllung und Hetze. Sein Wort ist Gesetz, auch wenn er es gerne mag mit anderen zu diskutieren, ist er die Exekutive. Erst nennt er Christian Drosten in einer Besprechung einen „Wuschelkopf, der die Republik regiert“, dann fährt er eine Kampagne gegen den Virologen. Kritische Stimmen aus den eigenen Reihen sind zwar da, werden aber nicht gehört. So kommt es, dass die BILD eine Studie des Virologen anzweifelt. Heute ist bekannt, die Zweifel waren nicht berechtigt. Politiker sind ständig zu Besuch im Axel-Springer-Gebäude und natürlich sind alle per Du. Es wird Kette geraucht, während man bewundert, wie genial die neue „BILD-Live“-Sendung ist. Ob in der Politik, der Medizin oder im Sport, irgendwie scheint sich die BILD, zumindest Reichelt, für allmächtig zu halten. Immer, überall dabei und auf allen Kanälen. Die BILD-Redaktion erstellt Drosten Fristen, richtet sich in einem offenen Brief an Chinas Regierung oder erklärt Karl Lauterbach für irrelevant. 

Gelächter in einer Redaktionssitzung, Chefredakteur Julian Reichelt im Zentrum

Beim Ansehen der Doku muss ich innehalten. Um was geht es eigentlich? Und geht es nicht auch leiser und dafür informativer? Diskussion ist wichtig, Journalismus ist wichtig, auch solcher, der nah dran ist am Geschehen. Aber lästig ist sie, die Streitlust ohne Anlass. Opferfotos zeigen, um zu schocken, Persönlichkeitsrechte verletzten, um im Gespräch zu sein. Zu nah ist zu nah. Und nach meinem Empfinden ist ein zu großer Teil der BILD-Zeitung eingefärbt von Reichelts konservativer politischer Meinung. Auch der Verweis darauf, dass die BILD ein Boulevard-Blatt ist, bei dem riesige Schlagzeilen zur Tagesordnung gehören, kann diese Grenzüberschreitungen nicht rechtfertigen. 

Am Ende sollte sich jeder die Frage nach dem tatsächlichen Einfluss der BILD-Zeitung selber beantworten. Grundlage dafür schafft die Dokumentation auf jeden Fall. „BILD.Macht.Deutschland.?“ ist genauso aufgebauscht wie sich die BILD selbst wahrnimmt und applaudiert. Ein Ticken zu viel spannende Musik, die einen einfachen Redaktionsalltag zum Formel-1-Rennen machen. Und auch, wenn wenige externe, kritische Stimmen gezeigt werden, braucht es diese vielleicht gar nicht, bei den absurden Szenen der Dokumentation. 

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Bildquelle: Amazon ©Christoph Michaelis; CCO-Lizenz