
Blaue Zungen: Wie ein riskanter Social-Media-Trend die Gesundheit gefährdet
Auf Social Media macht sich seit kurzem ein neuer Trend breit: Menschen strecken ihre blau gefärbten Zungen in die Kamera. Dabei handelt es sich nicht um einen harmlosen Spaß, sondern um einen gefährlichen Trend, der auf den Konsum von Methylenblau zurückzuführen ist. Dieser synthetische Farbstoff wird in den sozialen Medien von Wellness-Influencern und sogenannten Bio-Hackern als Wundermittel angepriesen. Doch was steckt wirklich dahinter?
Der blaue Hype
Vor einiger Zeit dominierte Chlorophyllwasser die Social-Media-Plattformen, nun ist es Methylenblau. Fitness-Influencer und Gesundheitsgurus behaupten, dass der Farbstoff das Immunsystem stärken, Krebs vorbeugen und das Gedächtnis verbessern könne. Dabei stützen sie sich auf tierexperimentelle Studien, in denen die Gedächtnisleistung von Ratten durch die Einnahme des Farbstoffs gesteigert worden sei. Einige Alzheimerstudien hätten ebenfalls positive Resultate gezeigt, heißt es in den Netzwerken.
Führende Wissenschaftler betrachten den Trend jedoch skeptisch. Laut dem „Standard“ sind die Forschungsergebnisse zu Methylenblau im medizinischen Bereich nicht vielversprechend genug, um eine positive Wirkung zu bestätigen. Dennoch wird der Farbstoff von vielen auf Social Media als „Geheimtipp“ für Wohlbefinden und Leistungssteigerung beworben.
Gefährliche Nebenwirkungen
Methylenblau hat aber nicht nur potenziell positive Effekte. Der Farbstoff, ursprünglich für die Färbung von Textilien entwickelt, färbt nicht nur die Zunge, sondern auch den Urin blau. Schlimmer noch, bei einer falschen Dosierung kann Methylenblau giftig wirken. Laut Experten drohen bei einer Überdosis Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und im schlimmsten Fall sogar lebensbedrohliche Zustände. „Der Standard“ berichtet, dass diese gefährliche Grenze schnell überschritten ist, da auf Social Media unklare Dosierungsempfehlungen kursieren.
Ein weiteres Problem: Methylenblau ist in der EU als Nahrungsergänzungsmittel nicht zugelassen. Das bedeutet, dass Konsumenten es nur über Umwege, beispielsweise als Färbemittel für Textilien, erhalten können. Diese Produkte unterliegen jedoch nicht den strengen Gesundheitskontrollen, wie sie für Nahrungsergänzungsmittel gelten. Auch der Hinweis „gesundheitsschädlich bei Verschlucken“ auf den Verpackungen hält viele Menschen nicht davon ab, den Stoff trotzdem zu konsumieren.
Bio-Hacker und ihre Ziele
Besonders die sogenannte Bio-Hacker-Szene schwört auf Methylenblau. Diese Gruppe von Menschen hat es sich zum Ziel gesetzt, ihren Körper und Geist durch bestimmte Maßnahmen zu optimieren. Für sie ist Methylenblau mehr als nur ein Wellnessprodukt: Der Stoff soll sich in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, einlagern und dadurch das Risiko für Alzheimer oder Parkinson reduzieren sowie die allgemeine Konzentrationsfähigkeit steigern.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Wie „Der Standard“ weiter berichtet, ist nicht eindeutig bewiesen, ob diese Effekte tatsächlich so eintreten, wie sie auf Social Media beschrieben werden. Viele der behaupteten Vorteile des Methylenblaus basieren auf kurzen Energieschüben, die möglicherweise gar nicht wahrnehmbar seien. Zudem könne die falsche Anwendung schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Methylenblau als globaler Trend
Der Trend beschränkt sich nicht nur auf die USA. Auch im deutschsprachigen Raum hat sich Methylenblau zu einem beliebten „Wundermittel“ entwickelt. Trotz der gesundheitlichen Bedenken und der fehlenden Zulassung in der EU nehmen viele Menschen den Farbstoff ein. Dieser Trend zeigt eindrücklich, wie schnell medizinische Mythen und Halbwahrheiten viral gehen können, wenn sie von Influencern verbreitet werden.
Ärzte und Apotheker warnen eindringlich vor dem unbedachten Konsum. Sie plädieren dafür, den Farbstoff entweder gar nicht zu verwenden oder zumindest die Dosierungen zu beachten, um gesundheitliche Risiken zu vermeiden. Ein Ende des Trends ist jedoch noch nicht in Sicht, denn die blauen Zungen sind weiterhin überall in den sozialen Netzwerken präsent.
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Bild: Midjourney