Copyright Claudio Sieber, CONBOOK Verlag

Ausgelesen: Claudio Sieber ist „Gestrandet im Paradies“

Claudio Sieber reichts. Er hat keine Lust mehr auf seinen Alltag, die Routinen, die sein Leben bestimmen, seinen Job und die immer gleichen Gesichter. Er will raus in die Welt. Und so beschließt er, alles hinter sich zu lassen und auf unbestimmte Zeit zu verreisen. Dass es schließlich 6 Jahre werden und er nie wirklich zurückkehren würde, das hätte der Schweizer zu diesem Zeitpunkt wohl selbst nicht geglaubt.


„Oh bitte! Nicht noch ein Buch von einem Influencer, der nach 6 Wochen Bali beschließt, dass er sich nun selbst gefunden hat.“ Zugegeben, ich war nicht ganz unvoreingenommen als ich von Gestrandet im Paradies erfuhr. Schließlich kennen wir sie mittlerweile alle, die Bücher, voll mit den besten Instagram-Fotospots und nie dagewesenen Erkenntnissen über die Psyche des Menschen auf Reisen. Sie wirken wie abgepaust und irgendwie auch nicht sonderlich authentisch, wenn bereits auf dem Cover der hundertste restaurierte Campervan zu sehen ist.

Warum ich dem Roman dennoch eine Chance gab?

Ganz ehrlich, es war der Untertitel und eine kurze Googlesuche nach dem Autor. Denn der Schweizer Claudio Sieber ist alles andere als ein verträumter Mitte 20-Jähriger. Stattdessen strahlte mich vom Autorenpofil ein hagerer Freigeist mit langen Haaren und sonnengebräuntem Gesicht an, dem man ansah, dass er öfter auf das Segelboot als auf den Passagierflieger zurückgreift.

Mit vollen Titel heißt Claudios Roman:

Gestrandet im Paradies

Wie ich sechs Jahre als Nomade durch Asien zog und meine Heimat auf einer Tropeninsel fand

Sechs Jahre? Ja, richtig gelesen. Der 40-jährige Aussteiger schreibt in seinem Roman nicht nur herrlich ehrlich und ungefiltert über das unbequeme, chaotische und manchmal einsame Leben auf Reisen. Er untermalt seine Geschichten auch mit Hilfe der Fotografien, mit denen er heute einen Teil seines Lebensunterhaltes verdient. Und diese Bilder haben es in sich. So gewinnt man als Leser*in nicht nur einen guten Eindruck von den Ländern, die Claudio bereiste und von den Menschen, die er traf, sondern auch von den Fortbewegungsmitteln, welche schon alleine ein eigenes Kapitel im Buch wert wären.

Ungewöhnlich war auch die Art und Weise, wie Claudio von A nach B reiste. Wo andere in den Flieger gestiegen wären, nahm er das Mofa, ging zu Fuß, machte Bekanntschaft mit einem kleinwüchsigen Pferd oder begab sich mit einem halb-legal erworbenen Holzboot auf den Weg in Richtung Andamanensee.

Mein Fazit? Bitte lesen!

Wer auf Abenteuerromane steht und keine Lust auf geschönte Reiseberichte hat, der ist bei Claudio an der richtigen Adresse. Im Roman wechseln sich Reiseberichte und Fotografien in perfekt ausgewogenem Verhältnis ab, ohne das man durch die Unterbrechungen aus der Geschichte hinausgeworfen wird.

Das Buch ist in mehrere Kapitel über die verschiedenen Länder strukturiert, wodurch man problemlos zwischen den einzelnen Geschichten hin und herspringen kann. Möchte man den Autor bei seiner Reise jedoch begleiten, so bietet es sich an, von vorne zu beginnen und die Länder nacheinander literarisch zu bereisen.

Was mir an dem Buch besonders gut gefallen hat ist, dass es ich bei Gestrandet im Paradies nicht um einen klassischen Reiseführer für Individualreisende handelt, sondern eher um ein eine Abenteuergeschichte eines Mannes, der die Welt auf nachhaltige und direkte Weise erfahren will. Man erfährt viel über die verschiedenen Länder, ihre Eigenheiten und über die Menschen, denen Claudio begegnet. Er romantisiert nichts und schafft es dennoch die Leser*innen von der Idee zu begeistern (zumindest kurz) aus ihrem eigenen Alltag auszusteigen. Die Erfahrungsberichte bestehen aus einer guten Mischung aus Sarkasmus, bildhaften Beschreibungen von Wegbegleiter*innen und Landschaft, harter Realitätsanpassung und einem ordentlichen Schuss Humor, der sicher nicht nur Claudio über diverse Berggipfel und durch den ein oder anderen Starkregen geholfen hat.

Bis zum Schluss habe ich den Autor gerne auf seiner Reise, bis hin zu seiner persönlichen Paradiesinsel begleitet und musste wieder einmal einsehen: Vorurteile sind völlig in Ordnung, wenn man bereit ist, sie abzulegen und sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen.

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Bildquelle: Copyright Claudio Sieber, CONBOOK Verlag