Tobi Rosswog

„Cycling The Change“ – Klimarettung auf dem Fahrrad

Was ist das Radikalste, das du jemals für die Rettung des Klimas unternommen hast? Der Aktivist und Autor Tobi Rosswog hat schon so einige Dinge getan, um für den Kampf gegen den Klimawandel und die Wegwerfkultur ein Zeichen zu setzen. Ab dem 30.04 hat er nun Großes vor.

Er möchte mit dem Rad 3.000km durch Deutschland, Österreich und die Schweiz reisen und auf dieser ambitionierten Tour insgesamt 33 Impulsvorträge zum Thema “Verkehrswende” halten. Wie genau das ganze aussehen soll und ob er Angst vor Muskelkater und platten Reifen hat, das hat er uns im Interview erzählt.

Es ist Dienstagvormittag. Ich sitze an meinem Laptop, beantworte Mails, klicke mich durch diverse Nachrichtenportale. Egal wo wir hinsehen, die Katastrophen scheinen sich zu überschlagen: Coronapandemie, Klimawandel, Hungersnöte und der Krieg in der Ukraine. Eine Nachrichtenlage, in der man sich gerne mit jemandem unterhält, der etwas verändern will und dafür so einiges auf sich nimmt. Denn während ich zuhause sitze und studiere was die Politik in den vergangenen Jahren so angestellt hat, packt mein Gesprächspartner Tobi aktiv mit an und hat durch Konsequenz und seine positive Art schon so einiges verändert.

Aktivismus 24/7

Um fünf nach elf klingelt mein Handy. „Heyhey, schön dass das geklappt hat!“ Tobi klingt gut gelaunt. Irgendwo im Hintergrund hört man Vogelgezwitscher. „Ja finde ich auch! Du musst mir einmal kurz auf die Sprünge helfen. Was genau machst du eigentlich alles? Ich war heute früh noch auf deiner Website unterwegs und du scheinst ja viel beschäftigt zu sein.“ Tobi lacht. „Mir wird zumindest nicht langweilig. Wo fange ich da an?“ Er macht eine kurze Pause. „Ich bin Aktivist, Autor, freier Dozent und Initiator verschiedener sozialer Projekte. Ich halte so um die 150 Vorträge im Jahr. Die können ganz unterschiedlich aussehen. Mal bin ich auf Konferenzen unterwegs, mal spreche ich vor Schulklassen und an anderen Tagen gebe ich Impulse in Bereich der freien Wirtschaft. Aktivistisch bin ich auch in den unterschiedlichsten Bereichen aktiv. Unter anderem war ich viel am Hambacher Forst und im Rheinischen Braunkohlerevier. Allein schon, weil es sich hier um ein wichtiges Symbol für Klimagerechtigkeit und die radikale Energiewende handelt. Gerade wenn wir uns die derzeitige Diskussion um die Verlängerung der Braunkohle und der Atomenergie aufgrund des Ukrainekrieges anschauen, verlieren diese Bereich kaum an Aktualität. Naja, und dann gibt es ja auch noch den Dannenröder Forst, der mich gerade im wortwörtlichen Sinne bewegt und zu einem wichtigen Symbol für die Verkehrswende in Deutschland geworden ist.“

Tobi holt Luft und ich merke, dass meine Augenbrauen in den letzten fünf Minuten massiv in Richtung Decke gewandert sind. Der Mann scheint wirklich gut ausgelastet. „Und ganz aktuell durfte ich mit drei anderen Autor:innen im vergangenen Jahr auch noch ein Buch herausbringen, welches sich mit dem Thema beschäftigt, wie wir ganz aktiv selbst die Verkehrswende in die Hand nehmen können. Es geht uns dabei weniger um noch mehr Konzepte, sondern eher um das aktive Tun. Also was können wir ganz niederschwellig für die Verkehrswende tun, was ist machbar? Dazu gehört für mich auch, dass das Buch frei verfügbar ist. So, jetzt aber genug monologisiert!“ Mein Kopf schwirrt vor offenen Fragen. Ich tippe noch schnell drei Zeilen in mein Word-Dokument, dann suche ich mir ein Thema von meiner etwas zu langen Liste aus.

Cycling the Change

„Danke dir! Okay einmal zurück zu deinem aktuellen Projekt Cycling the Change. Worum geht es da genau, außer dass du extrem viel Fahrrad fährst und sehr wahrscheinlich schlimmen Muskelkater in den Waden haben wirst?“ „Ohje, hoffentlich zweiteres nicht. Obwohl ich von vielen Seiten schon die Rückmeldung erhalten habe, dass es sich um eine sehr ambitionierte Tour handelt, die ich mir da vorgenommen habe. Also die Idee ist ja nicht nur viel Fahrrad zu fahren, sondern mit dem Aktionsbuch-Verkehrswende im Gepäck dann auch jeden Abend um 19 Uhr vor Ort einen Vortrag zu halten. Die Vorträge sind je nach Stadt von einer anderen Organisation bereits geplant. Das kann der VCD sein oder auch Fridays for Future. Naja, und nach dem Vortrag soll es dann für die Anwesenden immer die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen und die Verkehrswende selbst in die Hand zu nehmen. Andererseits soll es auf der Tour auch ein paar Aktionen geben, an denen sich die Menschen beteiligen können. Das wäre beispielsweise eine Critcal Mass in Freiburg, zu der die Zuhörenden herzlich eingeladen sind.“ Eigentlich eine ganz schöne Aktion. Gerade in einer so grünen Stadt wie Freiburg, in der durch die Struktur der Stadt und die Universität sowieso bereits zu großen Teilen auf den ÖPNV und Fahrräder gesetzt wird.

Apropos ÖPNV, eigentlich könnte Tobi doch auch ganz Klimafreundlich mit Bus und Bahn fahren, oder nicht?

„Nun ja, einerseits ist mein Leben so geldbefreit wie möglich organisiert, da möchte ich eher ungern auf den öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen. Andererseits ermöglicht das Rad eine ganz andere Art der Mobilität. Ich bewege mich entschleunigter fort und es macht mir natürlich auch einfach Spaß mal wieder eine längere Radtour zu machen. Gleichzeitig ist der ÖPNV natürlich ein superwichtiges und klimagerechtes Verkehrsmittel, das will ich gar nicht leugnen. Aber so wie es aktuell aufgezogen wird, spricht der ÖPNV, dadurch, dass er Geld kostet, vielen Menschen einfach das Recht auf Mobilität ab. Wer sich die 2,50 Euro pro Bahnstrecke in der Stadt nicht leisten kann, der fällt durch das Raster.“ Ich merke, wie leidenschaftlich Tobi bei dem Thema ÖPNV wird. „Ich meine, das ist doch verrückt. Lindner hat gerade für 6,6 Milliarden einen Tankrabatt in Aussicht gestellt. Für das Geld könnten wir den gesamten öffentlichen Nahverkehr in Deutschland für ein halbes Jahr kostenlos anbieten. Das würde dem Klima und auch den Menschen so viel mehr bringen!“

Ich habe das einmal recherchiert und Tobi hat Recht. Eigentlich erschreckend, wenn man mal genauer darüber nachdenkt, schließlich bekommen andere Länder diese Umverteilung auf den ÖPNV ja auch hin. Darüber hinaus bringt ein Tankrabatt lediglich Menschen etwas, die ein Auto besitzen. Alle anderen gehen erstmal leer aus. Ganz schön frustrierend.

Mir kommt ein Beispiel in den Kopf, bei dem ein Mann sich die Tickets für die Bahn nicht leisten konnte und wiederholt 60 Euro zahlen sollte. Da er diese Strafe natürlich auch nicht begleichen konnte, wurde ihm nach mehreren Verwarnungen mit einer Freiheitsstrafe gedroht. 

Ich höre Tobi durch den Hörer nicken. „Richtig, und da sind wir wieder bei der Absurdität des Systems, denn ein Mensch kostet den Staat im Gefängnis 110 Euro am Tag. So werden aus einem Ticket für 2,50 Euro mal ganz schnell mehrere 1000 Euro für den/die Steuerzahler*in, nur weil Menschen sich den Bus nicht leisten konnten. Das müsste nicht sein, wenn wir einfach den ÖPNV sozial gerecht gestalten würden.“

Eigentlich unfassbar, wenn man das einmal durchrechnet. Zum Ende unseres Gespräches hätte ich aber gerne noch ein paar positive Beispiele.

Die Utopie

„Was wäre für dich denn die ideale Verkehrswende? Gibt es aus deiner Sicht Länder, die auf dem richtigen Weg sind?“ Tobi überlegt kurz. „Da gibt es natürlich verschiedene Modelle. Beispielsweise könnten wir uns Kopenhagen zum Vorbild nehmen und die Fahrradfahrer*innen durch Fahrradstraßen unterstützen. Ein kostenloser ÖPNV wäre auch eine gute Idee, denn der wäre nicht nur ökologisch, sondern auch sozial gerecht. Da gibt es schon viele Länder, die einen Schritt in die richtige Richtung gehen. Neuseeland hat beispielsweise die Kosten für den ÖPNV halbiert und auch Österreich hat derzeit ähnliche Bestrebungen. Wichtig ist, dass es um eine Verkehrswende geht und nicht eine Antriebswende.  Das E-Auto ist nur eine Scheinlösung. Mein Traum wären autofreie Innenstädte, schon alleine, weil diese so viel weniger Verkehrstote bedeuten würden. Auch ein Tempolimit ist meiner Meinung nach unverzichtbar. Niemand muss mit 200 km/h über die Autobahn rasen. Du merkst schon, das sind alles keine komplett neuen Ideen. Aber sie sind wichtig und bedürfen dringend einer Umsetzung.“

Ich bedanke mich bei Tobi, lege auf und klappe meinen Laptop zu. Ganz schön viel Stoff zum Nachdenken und für mich ist eines klar: Den Vortrag in meiner Stadt, werde ich mir auf jeden Fall anhören.

Hier findet ihr den Link zu Tobis Website und hier kommt ihr zu den Terminen in eurer Stadt.

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Bildquelle: ©Claire Winkler

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