praktikant-altenpflege

Ein Tag als Praktikantin – in der Altenpflege

Sie ist schon seit 6:00 Uhr da; ich wurde also um eine Stunde verschont. Frau Zamfir gibt mir einen ihrer weißen Kittel, damit man erkennt, wem ich zuzuordnen bin und vor klebrigen Fingern geschützt bin, wie sie sagt. Für Kennenlern-Floskeln hat sie keine Zeit, die Morgenroutine muss gemacht werden. Mit einem Wagen voller Medikamente schieben wir uns von Zimmer zu Zimmer. Es erinnert an ein Krankenhaus, lange Gänge, grelles Licht, Linoleum und Desinfektionsmittel. Als ich das Wort „Station“ benutze, werde ich schnell zurecht gewiesen. Hier werden keinerlei klinische Begrifflichkeiten verwendet. Es ist ein Zuhause. „Die Menschen leben hier und sollen sich wohlfühlen“, sagt Herr Savic, der Leiter des Altenheimes später zu mir. „Wir wollen die Menschen so wenig wie möglich aus den Gewohnheiten ihres vergangenen Lebens herausholen.“

Abführmittel, Pillencocktails und Duschbetten

 

Frau Zafmir hat als Wohngruppenleitung die Aufgabe, Wunden zu verarzten und zu beobachten, Ein- und Auszüge zu koordinieren, Dienstpläne zu schreiben und nebenbei alle anderen Aufgaben der Pflege zu erledigen. Als sie die Wunde zwischen den Zehen einer Patientin reinigt, beginnt die knittrige Dame plötzlich zu schreien: „Stümper, Stüüümper!“, kommt es aus ihrem zahnlosen Mund. „Alles ganz normal“, sagt Frau Zafmir und schiebt mit einem Schmunzeln, das vermutlich meinem Gesichtsausdruck gilt, den Medikamentenwagen weiter den Gang hinunter. „Manche Bewohner sind sehr verwirrt und erkennen nicht mehr, wer sie behandelt oder aus welchem Grund“ erklärt sie mir. „Kennt man ihre Krankheit, lässt sich gut damit umgehen.“ Auf die Frage, was ihre schlimmsten Erlebnisse in ihrer bisherigen Arbeitszeit waren, erzählt sie mir von einem missglückten Suizid, bei dem sie die Erstversorgung leisten musste, und von einer Frau, die rauchte, obwohl sie Sauerstoff durch die Nase bekam. Die Folge waren hochgradige Verbrennungen – womit sie noch glimpflich davon kam. Ich muss schlucken. Mit solch traumatischen Erlebnissen hatte ich nicht gerechnet.

Wir stehen vor der Tür von zwei Männern, die sich ein Zimmer teilen. Erst im Haus St. Josef haben sie zueinander gefunden und können sich hier, nach jahrelanger Freundschaft, zu ihrer Partnerschaft bekennen und gemeinsam leben, erzählt mir Frau Zafmir. Schöne Geschichte, denke ich mir, bis Frau Zafmir mich fragt, ob ich lieber draußen warten will, wenn einer der beiden Herren sein Abführmittel nimmt. „Nee, ist schon in Ordung“, sage ich gewollt gefasst und hoffe, dass die Prozedur wenigstens über einer Toilette stattfindet. Letzten Endes werde ich verschont. Der Mann hat andere Probleme an diesem Morgen.