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Ein Tag als Praktikantin – in der Altenpflege

Weiter geht’s, hier eine Insulinspritze für Altersdiabetiker, dort ein kunterbunter Pillencocktail. Schließlich stehen wir im Zimmer einer sehr gebrechlichen Frau. Sie ist ganz klein und dünn, hält sich irgendwie unnatürlich und gibt stets nur den unverständlichen Laut „Schuschu, schuschu“ von sich. Die Dame muss geduscht werden, also wird sie auf ein Duschbett gehievt und in ein Badezimmer gefahren. Frau Zafmir wäscht sie sorgfältig, streichelt sie und spricht mit ihr in der dementen Geheimsprache und ich muss lächeln. Diese Situation ist sehr liebevoll, fast wie zwischen Mutter und Kind. Später frage ich nach und werde von Frau Zamfir mit der Wahrheit konfrontiert: Lediglich durch die künstliche Ernährung wird die Dame am Leben gehalten. Das entscheidet ein weit entfernt wohnender Sohn, der selten vor Ort ist. „Wir müssen so etwas respektieren, was nicht heißt, dass wir solche Entscheidungen akzeptieren.“

 

Frühstückshörnchen oder Flüssignahrung

 

Im Gemeinschaftsraum sitzen etwa 20 Frauen, die meisten schweigen, manch eine nickt vor ihrem Frühstück ein. Eine junge Pflegerin erklärt mir mit osteuropäischen Akzent, dass es sich hierbei noch um die Kriegsgeneration handelt. Deshalb sind aktuell hauptsächlich Frauen im Haus. Im Nebenraum werden sehr hilfsbedürftige Bewohner gefüttert. Die Frau, die wir vorher gewaschen haben, schläft in ihrem großen Buggy. Sie bekommt nur noch Flüssignahrung über eine Sonde im Bauch. Ich beobachte ein Gespräch zwischen zwei Frauen: „Uns geht es doch gut, schau, wie gut es uns geht!“, „Ja, wir werden hier alt und sitzen uns unsere Popos platt, hihihi“, ihre Lebhaftigkeit tut sehr gut. Bis die eine rauchen geht, dann kehrt wieder Stille ein.

Frau Zamfir muss sich Büroarbeiten widmen. Sie plant die anstehende Spätschicht, die auf Grund von dem Ausfallen einer Mitarbeiterin durch eine Pflegerin des St. Josef und drei Zeitarbeiter belegt wird, was nicht die Regel im Haus St. Josef ist, wie Herr Savic später betont. Andere Mittel haben sie in dieser Nacht nicht – ich erkenne an den Reaktionen der PflegerInnen, dass sie ihre Kollegin nicht beneiden. Ich lasse Frau Zamfir mit ihren Computerarbeiten alleine und schaue, wo ich helfen kann. Ich biete einer Pflegekraft meine Hilfe an und sie erwidert mit russischen Akzent: “ Du kannst mir helfen, indem du uns in deinem Artikel nicht wie Idioten dastehen lässt.“

Ich muss stutzen. Mir war nicht bewusst, wie schlecht der Beruf des Pflegers nach außen wirken muss. Im Gemeinschaftsraum legt die junge Pflegerin eine CD mit Weihnachtsmusik ein. Gemeinsam singen steht auf dem Programm. Also geselle ich mich dazu, die Rollstühle werden in einen Kreis geschoben, die Pflegerin nimmt die Damen bei der Hand und legt ihre Hände ineinander. Nur zwei reagieren, der Rest weiß, glaube ich, gar nicht was um sie herum passiert. Ich komme mit einer Dame ins Gespräch, als die Weihnachtsmusik durch Schlager ausgetauscht wird. Sie erzählt mir von ihrer Zeit als Wiesn-Bedienung. Davon, dass sie begehrt wurde, aber niemals mit einem dieser Jungs nach Hause gegangen ist. Dann wird ihr Blick verschwörerisch und sie wispert mir zu, dass der junge Pfleger der Wohngruppe allen Mädchen im Haus den Kopf verdrehen würde. Er ginge mit ihnen in ein Zimmerchen im Dachgeschoss, um sonst was treiben. Später erfahre ich, dass es solche Zimmerchen gar nicht gibt.