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Ein Tag als Praktikantin – in der Altenpflege

Ernüchternde und wunderbare Erlebnisse

 

Eine Frau, die sehr ordentlich aussieht, freut sich wahnsinnig über die Musik, sie nimmt ihre Sitznachbarin an den Händen und tanzt einen wilden Sitztanz mit ihr. „Es ist die Liebe und die Dankbarkeit, die einem entgegengebracht wird. Wir flachsen mit den Leuten herum, deshalb würde ich den Beruf immer wieder wählen“, schallen mir die Worte von Frau Zamfir in den Ohren. Nach dem Singen muss die junge Pflegerin das Mittagessen vorbereiten, also setze ich mich zu der lebhaften Frau und komme mit ihr ins Gespräch, erzähle ihr, weshalb ich hier bin. Sie bekommt leuchtende Augen und erwidert, sie sei auch Journalistin gewesen. Nach einem regen Wortwechsel kehrt plötzlich Stille ein. Sie fragt mich, ob wir uns kennen, ich käme ihr so bekannt vor. Das Spiel wiederholt sich einige Male. Ein ernüchterndes Erlebnis.

Ich beobachte eine pummelige Frau mit hängenden Wangen und wunderbaren Altersflecken auf der seidigen Haut. Sie sitzt in ihrem Rollstuhl und schiebt sich mit ihren Beinen an. Sie bringt Schwung in den Laden, erzählt ununterbrochen Geschichten und hat den puren Schelm in der Mimik. Sie flitzt auf mich zu und plaudert über ihre Großmutter, dass sie sich vor ihr verstecken muss, um nicht beim Haushalt helfen zu müssen. Kichernd offenbart sie mir ihr Geheimversteck. Ich muss auch kichern, ihre Freude ist ansteckend. Es ist schön zu sehen, dass eine Demenz nicht automatisch aggressives oder verzweifeltes Verhalten bedeutet. Schließlich wende ich mich ab und sie reagiert sofort, bedankt sich für meine Hilfe und sagt:“ Wenn Sie auch mal etwas brauchen sollten, dann kommen’s zu mir!“

 

„Der Beruf bekommt wahnsinnig schlechte Presse“

 

Ich darf in der Cafeteria essen gehen, sitze zwischen jungen Auszubildenden und lausche ihren Beziehungsproblemen. Ich stelle mir vor, dass dies mein Alltag ist. Dem Tode im Beruf so nah sein. Ob ich das könnte? Auf die Frage, ob man sich an das Versterben der Bewohner gewöhnt, sagt Frau Zamfir: „Mit dem Sterben muss man lernen, umzugehen. Den Tod muss man akzeptieren.“ Ich bewundere die Menschen, die hier arbeiten. Es ist schwere körperliche Arbeit, die auch psychisch belastend ist. Wieso wollen so wenige Menschen in unserem Alter den Beruf der Altenpflege erlernen? „Der Job bekommt wahnsinnig schlechte Presse. Hier im Münchenstift reicht das Geld zwar gut zum Leben, viele Pflegedienste zahlen jedoch sehr schlecht.“, erzählt Frau Zamfir. „Rund 80 Prozent unserer Auszubildenden kommen aus dem Ausland. Maximal ein Viertel der Leute ist deutscher Herkunft“, sagt Herr Savic später in unserem Gespräch. „Die Bezahlung ist nicht schlecht, eine gerade ausgelernte Pflegekraft verdient seit 2017 im Münchenstift 3000 Euro brutto pro Monat.“ Speziell für Menschen, die aus Osteuropa hierher kommen, um als Pflegekräfte zu arbeiten, ein super Gehalt. Für unsereins offensichtlich nicht gut genug.

Mein Tag als Praktikantin in der Altenpflege war wunderbar. Ich bin vorher nie in einem Altersheim gewesen, auch für mich rankte sich eine seltsame Stimmung um Einrichtungen dieser Art. Aber wieso eigentlich? Weil ich Angst vor dem Alter und dem Tod habe? Vor Krankheit und Leid? Ja, ich denke daran könnte es liegen. Außerdem assoziieren viele Menschen automatisch unangenehme Gerüche, Babynahrung, verwirrte Menschen. All diese Aspekte sind nicht auszuschließen, ich bin ihnen begegnet. Aber genauso bin ich Dankbarkeit begegnet – und Menschen mit aufregenden Geschichten und viel Zuneigung im Herzen. Ich wünsche der Branche mehr Anerkennung, aber vor allen Dingen: den PflegerInnen. Hut ab, sie machen enorm wichtige Arbeit und begleiten Menschen auf ihrem letzten Wegen. Das verdient mehr als einen schlechten Ruf in der Gesellschaft.