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Beziehung: Wenn Erwartungen zu Streit führen

Die Liebe ist wahrscheinlich das schönste, aber zugleich schwierigste Konstrukt unserer zwischenmenschlichen Beziehungen. Und zwar, weil sie so intensiv ist. Selten hat man mit Freunden oder der Familie so emotionale und tiefe Momente wie mit dem oder der Partner*in. Wir avancieren zu Drama Queens und Emotionsbündeln, des Öfteren verstehen wir uns selbst nicht mehr. Die Liebe geht unter die Haut. Und wahrscheinlich wollen wir das auch so. Ist eine Beziehung monoton, brauchen wir Spannung. Ist sie zu emotional, dann packen wir sie nicht. Ist sie zu eng, ersticken wir daran und wenn sie zu locker ist, dann zweifeln wir an ihrer Ernsthaftigkeit. Funktionieren tut sie, wenn sich alles die Waage hält.

Aber „normal“, so wie eine Freundschaft normal ist, ist eine Beziehung nicht. Und zwar, weil sie so viel enthält: Nähe, körperliche Verbundenheit, Abhängigkeiten, Ängste und last but definitely not least: Erwartungen. Immer wieder stolpern wir über die Krux der eigenen Erwartung. Ein alltägliches Beispiel aus einer Beziehung: Das gemeinsame Heimgehen. „Können wir jetzt mal los?“ fällt häufig. Weil die Erwartung ist, gemeinsam ins Bett zu gehen, begleitet zu werden und vom Partner respektiert zu werden. Die Person wiederum, die sich noch nicht von der Party trennen möchte, ärgert sich. „Warum müssen wir immer gehen, wenn du müde bist?“. Und dann kommt es zum Streit. Da prallt die Erwartung, gemeinsam zu Bett zu gehen, auf eine unerfüllte Partylaune. Bumm.

Die Geschwister „Wunsch“ und „Erwartung“

Je höher die Erwartungen, desto größer ist die Enttäuschung, wenn diese nicht erfüllt wird. Erwartungen sind aber meist stille, nicht kommunizierte Muster, die sich in unseren Köpfen bilden. So hat der- oder diejenige, der sie erfüllen soll, oft gar keine Ahnung was zu tun ist. So richtig kommuniziert war das mit dem gemeinsam nach Hause gehen nämlich nicht. Es war mehr eine Voraussetzung. Was auch durch Gewohnheit bedingt wird. Wer meistens beieinander übernachtet, setzt es des Öfteren auch voraus. Die Person, die lieber noch weiter auf der Party bleiben möchte, fühlt sich aber überrannt. „Wer sagt denn, dass wir gemeinsam gehen müssen?“

Erwartungen haben vermeintlich eine Ähnlichkeit zum Wunsch, unterscheiden sich aber in einer ganz wichtigen Sache: Der Verbindlichkeit. Ein Wunsch ist etwas weiter entferntes, etwas, das wir mit positiven Dingen verbinden und dem wir hoffnungsvoll entgegenblicken. Wenn ein Wunsch nicht in Erfüllung geht, sind wir traurig. Eine Erwartung hingegen wird vorausgesetzt, daran ist nicht zu rütteln. Und wenn sie nicht erfüllt wird, ist es die Wut, die sich in uns breit macht. Es ist, als wäre die Erwartung die große Schwester des Wunsches. Der Wunsch ist ein wenig huschelig und romantisch, schreibt Gedichte und spielt Klavier. Wohingegen die Erwartung ziemlich straight ist, Jura studiert und selten mal zu tief ins Glas guckt. Der Wunsch ist irgenwie lockerer und lässiger, die Erwartung ist leider oft spießig und streng. Die beiden entspringen aus einem Bedürfnis. Und das macht Wunsch und Erwartung verwandt. Ihre Mutter heißt „Ich will“. Nur hat die Erwartung das Sprechen nicht von ihrer Mutter gelernt, sie ist verkopft und auf ihre Art und Weise schüchtern.

Die Erwartung öfter mal als Wunsch formulieren

Wie so viele Geschwisterpaare, würden sich Wunsch und Erwartung in Zusammenarbeit wunderbar ergänzen, trotz ihrer Verschiedenheit, oder gerade deswegen. Dafür muss sich die Erwartung aber erstmal aus der Höhle des Löwen wagen und sich in Worte formulieren lassen. Was der Wunsch gut kann und ihr gerne abnimmt. Zurück zu uns, als Mensch hinter dem Gehirn – Vielleicht merken wir dann schon selbst, dass an dieser Erwartung gar nicht so viel Produktives dran ist und verabschieden sie aus unserem Leben. Oder wir spüren, dass uns diese Erwartung sehr am Herzen liegt – dann lassen wir mal den Wunsch sprechen. Aus: „Können wir jetzt gehen?“, wird: „Ich wünsche mir, dass du mich nach Hause begleitest.“ Und unser*e Liebste*r wird sich nicht angegriffen fühlen, nicht bevormundet, sondern einfach nur gebeten. Und uns (hoffentlich) gerne diesen Wunsch von den Lippen ablesen.

Oder gar: Erwartungsfrei

Eine ganz andere Idee wäre, mal zu versuchen erwartungsfreier zu werden. Bewusst „Erwartungsfrei“, nicht „Erwartungslos“. Wir sind und bleiben geformte Persönlichkeiten, gewisse eingefleischte Werte gehen nicht verloren – und das ist gut so. Aber uns zu befreien von manchen festgefahrenen Richtlinien in unseren Köpfen könnte uns gut tun. Vielleicht bekommen wir einen offeneren Blick für die Dinge, sind spontaner und lassen uns eher mal positiv überraschen. „Wie siehts aus, ich hab genug, hast du Lust mich nach Hause zu begleiten?“, hört sich das nicht gleich viel abenteuerlicher an? Wir sollten für immer zu jung dafür sein, in quietschenden Schubladen zu denken. Lasst die Türen offen für frischen Wind, das tut besonders in einer Beziehung gut.