Fettes Brot und Zeitjung

Fettes Brot: „Soll doch jeder lieben, wen er will! Wo liegt da das Problem?“

Während ich die Klingel eines Altbaus in München-Neuhausen drücke, scheint mein Herz aus meinem Brustkorb springen zu wollen. Ich bin aufgeregt. Ein Stockwerk höher warten drei Stars des deutschen HipHop. Unglaublich, aber sie sind mittlerweile alle knapp über 40. Ihre Songs sind nach wie vor eine Vermischung von Ernsthaftigkeit und kompletter Eskalation. Boris, Björn und Martin sind sich nicht nur privat, sondern auch musikalisch treu geblieben. Ihre Songs landeten und landen in Reihe in den Top10. Man sang sie unter der Dusche, im Auto und knutschte zu ihnen auf Teenie-Partys. Nun öffnet die Managerin die Tür und bittet mich in die Küche. Und da stehen auch schon zwei Brote. Martin begrüßt mich zuerst, gefolgt von Boris, der logischerweise eine Cap trägt. Wir gehen auf den Balkon und setzen uns an einen kleinen Holztisch. Dann kommt Björn dazu. Fettes Brot ist nun komplett. Sie sind gut drauf und man merkt sofort, dass hier nicht nur drei Kollegen nebeneinander sitzen. Die drei wirken beinahe brüderlich. Es ist warm dieser Tage in München. Auch heute ist die Stadt ein Glutofen. Es ist die Zeit, in der man in den Bars nach Feierabend lässige Drinks mit Minze trinkt. Ich hole den Pfeffi aus der Tasche…

ZEITjUNG: Ich habe uns was zur Auflockerung mitgebracht. 

Boris: Oho, das fängt ja gut an.

Wir trinken jeder einen Shot. 

Björn: Das schmeckt ja wie Mundwasser. Da hat man danach das dringende Verlangen, sich den Mund auszuspülen.

Boris und Martin lachen auf und stimmen nickend zu.

Was trinkt ihr denn sonst so nach einem harten Arbeitstag?

Björn: Feierabendbier…

Boris, Martin : …oder ein Gläschen Rotwein!

Björn: Oder einen Wein, ja. Nichts Außergewöhnliches.

Neulich habt ihr über eine Nacht in Russland berichtet. Seid ihr so Wodka-Menschen?

Björn: Nee…

Boris: Nein, eigentlich gar nicht. Umso legendärer war es.

Martin: Also Schnaps eigentlich nicht so.

Boris: Jaja. Ihr beiden habt bei der Rückfahrt von der Schweiz in beeindruckender Weise die Flasche Gin gekillt. Ihr wart gut besoffen auf jeden Fall.

Björn und Martin nicken mit einem schelmischen Grinsen schuldbewusst.

Etwas mehr als zwanzig Jahre macht ihr jetzt als Fettes Brot Musik. Geht ihr euch nicht langsam auf den Sack?

Alle drei: Nicht mehr!

Boris: Die schwierige Phase haben wir durchgehalten. Wir sind ganz gut darin geworden, Konflikte zu lösen. Wir haben auch gelernt, uns auf Tour unsere eigenen Freiräume zu schaffen, damit wir uns nicht zu hart auf die Eier gehen.

Euer neues Album „Teenager vom Mars“ ist euch wirklich gelungen. Ihr sprecht darin auch die gewichtigen Themen unserer Zeit an.

Björn: Wir fanden die Perspektive ganz spannend: Wie wäre das für jemanden, der hier fremd ist? Was würde derjenige über Deutschland denken?

Boris: Ja, ich komm mir wirklich manchmal vor wie ein Außerirdischer. Das kennt ja jeder, dass man durch die Welt geht und sich fragt, was hier eigentlich los ist. Ich bin, glaube ich, auf dem falschen Planeten gelandet.

Erzählt der Song „Von der Liebe“ von eurer Jugend? Von einer nicht akzeptierten Liebe?

Boris: Es ist ja bei uns immer so, dass unsere Musik eine Mischung aus selbst Erlebtem, Erfundenem und bei anderen Leuten Beobachtetem ist. Selbst im Jahre 2015, wo man denkt, eigentlich müsste die Menschheit ja soweit sein, dass es solche Sachen gar nicht mehr gibt, ist es immer noch nicht einfach, zu sagen: „Hey, ich bin schwul und möchte mit einem gleichgeschlechtlichen Menschen zusammenleben.“ Oder…

Martin: … ein Moslem liebt einen Juden.

Björn: … ein junger Mann liebt eine alte Frau. Das Problem bei der Liebe ist, dass es immer noch Gesetze gibt, die gegen die Liebe sprechen…

Martin: … eine Chefärztin liebt einen Pfleger.

Boris: Ein Elefant liebt einen Pfleger.

Björn: Nein. Ein Elefant liebt ein Krokodil. Stellt euch das vor. Das könnte Probleme geben, wette ich.

Ein Feuerwerk an weiteren Absurditäten entsteht. Ehe Boris wieder aufs Thema lenkt.

Boris: Die Vorstellung des Kampfes, den dieses Paar führen muss, und wie es gegen alle Umstände ihre Liebe verteidigt, ist ein schönes Motiv. Es ist ja eigentlich so eine klassische Romeo und Julia Geschichte.

Martin: Und der Song ist relativ melancholisch. Aber ich glaube, dass dem auch eine Kraft innewohnt und man im besten Fall daraus Kraft schöpfen kann, um zu sagen: „Komm wir schaffen das trotzdem, obwohl die ganzen Wichser uns hier nicht verstehen, ziehen wir das jetzt durch, Baby.“ Das hat übrigens das Krokodil gesagt.

Kleiner Sprung in die Vergangenheit: Ihr habt 2001 den Song „Schwule Mädchen“ veröffentlicht. Das war ein Statement gegen die Homophobie im deutschen HipHop. Ihr seid damit eine der ersten Bands gewesen, die sich dagegen stark gemacht haben. Jetzt ist ein ähnliches Thema ganz groß. Die USA haben es vorgemacht. Die gleichgeschlechtliche Ehe. Wie steht ihr dazu?

Martin: Krass genug, oder, dass die USA

Boris: … ausgerechnet die USA

Martin: … die prüden USA.

Boris: Wie dem auch sei. Wir finden das natürlich gut. Mich wundert es, dass so etwas im Jahre 2015 überhaupt noch ein Thema ist. Soll doch jeder lieben, wen er will! Wo liegt da das Problem? Das habe ich eh noch nie verstanden.

Björn: Ich glaube auch, dass das Thema bald selbstverständlich ist.

Martin: Aber, um das zu erreichen, muss auf jeden Fall weiter dafür gekämpft werden.

Im Song Teenager vom Mars sagt ihr: „Im All wissen es alle, ihr könnt Fremde hier nicht leiden!“ Ist das eine Anspielung auf die Flüchtlingssituation hier in Deutschland?

Boris: Ja, ja. Und zwar eine ziemlich direkte.

Björn: Was auch etwas gemein ist, weil es natürlich auch ganz viele gute Menschen hier gibt, die eine Willkommenskultur pflegen und die keine Angst vor fremden Menschen haben. Aber wir wollten mit dem Satz vermutlich auch ein bisschen provozieren und das überspitzen, was als Vorurteil im All schon überall rumerzählt wird.

Boris: In Zeiten von brennenden Flüchtlingsheimen sind wir leider erschreckend aktuell mit dieser Aussage. Denn ein krasseres Symbol für Fremdenhass kann es ja kaum geben.

Martin: Die Menschen, die jetzt zu uns nach Deutschland kommen, sind ja nicht auf der Suche nach Arbeit. Die müssen ihren Arsch retten, die laufen um ihr Leben, die sind der Hölle entkommen und besitzen nur noch das, was sie am Leib tragen. Und dass man da nicht sofort sagt: „Okay, setze dich und iss erstmal einen Keks. Entspanne dich, komm‘ mal wieder zu dir und dann finden wir einen gemeinsamen Weg, das Leben weiter zu bestreiten.“ Das finde ich einfach beschämend.

Ihr kommt alle drei aus Hamburg. Dort werden auch viele Flüchtlinge aufgenommen. Seid ihr da schon einmal Zeugen von Provokationen, oder sogar Gewalt geworden?

Boris: Ne, das zum Glück nicht. Es gab die Diskussion, dass in reicheren Stadtteilen auch Geflüchtete untergebracht werden sollten. Da wurde sich dann quer gestellt mit Aussagen wie: „Sehr gerne, aber doch bitte nicht hier bei uns vor der Haustür.“ Ja, solche Schwachmaten gibt es bei uns in Hamburg auch. Für den September haben diese Nazis auch einen Marsch durch Hamburg angesagt und da werde ich auf jeden Fall zugegen sein, um mich in den Weg zu stellen.

Martin: Ja, da hat Hamburg auch einen Ruf zu verteidigen, weil die sich schon länger nicht mehr getraut haben, durch Hamburg zu laufen und das ist besorgniserregend, dass sie sich jetzt wieder stark genug dafür fühlen.

Kleines Rollenspiel. Wie seht ihr die Politik von Angela Merkel? Wenn jetzt Björn unsere Kanzlerin wäre, was würdet ihr zwei ihr sagen?

Boris (lacht): Da haste jetzt mal ‘ne dumme Rolle abgekriegt.

Björn: Ich wollt’s gerade sagen!

Martin: Naja, ich weiß nicht, ob das eine typische Verschleißerscheinung aller Bundeskanzler ist, aber irgendwann waren Kohl, Schröder und Merkel komplett …

Boris: …still…

Martin: …lahm und still. Nur wenn man sie ganz doll geschubst hat: „Mensch, jetzt sag doch mal was!“ Dann kam auch noch was. Ansonsten… ich weiß nicht, ob das zum politischen Leben gehört.

Boris (zeigt auf Björn): Frau Merkel, Sie schläfern das Land ein.

Martin: Sie laufen mit Betäubungsmitteln rum.

Björn (macht stimmlich Merkel nach): Das mag sein, dass es Ihnen, Herr Vandreier und Herr Lauterbach, so vorkommt, weil Sie aus dem Show-Bisinis kommen. Ich mache aber die Politik der ruhigen Hand.

Boris: Aber Frau Merkel!

Martin: Merkeln Sie denn gar nichts mehr?

Alle lachen

Das wird wahrscheinlich das Jugendwort des Jahres.

Boris: Ja, das kann gut sein. Wobei ich Alpha Kevin auch ganz gut fand!

Alpha Kevin ist aber leider raus.

Boris: Ach echt?

Ja. Das war für alle Kevins zu diskriminierend.

Björn: Kann ich verstehen. Ist aber trotzdem witzig.

Alle lachen

Martin: Ja, für alle, die nicht Kevin heißen.

Boris: Oder Alpha.