
Frederik Fleig über Nachhaltigkeit: „Das richtige Wir-Gefühl kann total viel bewirken!“
In der zweiteiligen Serie „plan b: Da geht was, Europa!“ führt Moderator Frederik Fleig die Zuschauer zu einigen der besten europäischen Visionär*innen, die mit ihren Ideen das Leben nachhaltiger und besser gestalten wollen. Die Themen reichen von Lebensmitteln, die recycelt werden, über nachhaltige Strategien in der Textilindustrie, bis hin zu Lehrern, die ihre Berufung leben, innovativer Baukultur, sauberer Energie und zukunftsfähigem Verkehr. Die Serie beleuchtet smarte Lösungen und zeigt auf, wie viel in Europa in Bewegung ist.
Im Rahmen der Serie „plan b“ besucht Frederik Fleig Pionier*innen, deren herausragende Ideen in Europa zur Stärkung der Gesellschaft beitragen. In Frankreich und Portugal unterstützt er Projekte zur effizienten Ressourcennutzung, während er in Finnland innovative Ansätze in der Lehrerausbildung kennenlernt. Frederik hat uns ein paar Fragen zu seiner spannenden Reise beantwortet.
ZEITjUNG: Frederik, wie siehst du die Rolle solcher gemeinnützigen Organisationen wie die von Gérard Gros und Fourat Troudi in Marseille bei der Bekämpfung globaler Probleme wie Lebensmittelverschwendung?
Frederik Fleig: Ich glaube, dass solche Organisationen im Kleinen einen unglaublichen Effekt haben können. Sicher kann keine einzelne Organisation die Welt verändern, aber eben ihren Einflussbereich – und auch das hat schon einen krassen Hebel. Ich habe das Gefühl, dass wir unsere weltweiten Ziele nur so erreichen können. Also indem im Kleinen bzw. Kleineren Dinge angestoßen werden. Und ich bin überzeugt, dass diese kleinen positiven Erfolge auch anstecken und sich gute Ideen so weiterverbreiten und durchsetzen. Gerade in einem Fall wie diesem in Frankreich gibts ja eigentlich nur Gewinner. Den Anfang zu machen und Prozesse neu zu denken, das ist eine Hürde. Danach ziehen – das war mein Eindruck – alle gerne gemeinsam an einem Strang.
ZEITjUNG: Was glaubst du, können andere Städte oder Länder von dem Modell in Marseille lernen?
Frederik Fleig: Dass man mit wenig Aufwand und einfachen Ideen extrem viel bewirken kann. Mich hat gerade diese Idee aus Frankreich und Marseille so begeistert, weil sie ja eigentlich so simpel ist. Bevor etwas schlecht wird, wird es eingesammelt, weiterverarbeitet und länger haltbar gemacht. Dass in diesem Prozess auch noch Menschen aus den verschiedensten Ländern involviert sind und auch Integrationsarbeit geleistet wird – das ist ein toller Nebeneffekt. Vor allem zeigt es aber, dass tausende Tonnen Lebensmittelmüll ziemlich einfach vermeidbar sind. Und ich habe auch das Gefühl, dass solche Anstöße von Einzelnen oder aus der Politik auch dafür sorgen, dass sich die Einstellung der Menschen verändert. Ich hatte in Frankreich das Gefühl, dass sich dort für Lebensmittel auch noch einmal mehr Wertschätzung gebildet hat. Auch in Deutschland hat man ja oft das Gefühl, Lebensmittel sind Wegwerfprodukte. Was übrig bleibt, landet in der Tonne – und das leider in viel zu vielen Fällen.
ZEITjUNG: Zu deiner Zeit mit Kristiina Heikkilä in Finnland: Welchen Einfluss glaubst du, hat die hohe Wertschätzung von Lehrkräften in der finnischen Gesellschaft auf die Bildungsqualität?
Frederik Fleig: Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch sich gesehen und wertgeschätzt fühlen möchte. Und zwar gerade auch dann, wenn es um eine Tätigkeit geht, die einen Großteil des Lebens ausmacht. Man sieht ja auch bei uns, welche Berufe „angesehen“ sind, und welche nicht. Und was für Auswirkungen das hat, darauf wie gerne Menschen in diesen Berufen arbeiten. Landwirte, Kassierer, Müllabfuhr… da gibt’s bei uns ja eine ganze Reihe Beispiele von total wichtigen Berufen, in denen Menschen sich aber nicht wirklich geschätzt fühlen. In den Gesprächen mit den finnischen Lehrkräften hatte ich deshalb das Gefühl, sie empfinden auch Stolz, diesen (ja auch wirklich) wichtigen Beruf auszuüben. Zusammen mit der Überzeugung, dass ihre Arbeit einen Impact hat und dem Gefühl, nicht systembedingt überfordert und verbrannt zu werden (Grüße nach Deutschland) – prägt das auf jeden Fall ihr Arbeiten. Und davon profitieren die Kinder. Denn jeder von uns kennt von früher den Unterschied, wie sich Unterricht durch motivierte Lehrkräfte anfühlt, die Bock auf diesen Job haben – und wie das Gegenteil.

ZEITjUNG: Gibt es bestimmte Elemente der finnischen Lehrerausbildung, die du gerne in anderen Bildungssystemen sehen würdest?
Frederik Fleig: Ich finde vor allem den extrem frühen Einbau praktischer Erfahrungen von einer Klasse für die Studierenden total smart. Als ich zu Besuch in einer Schule war, hatten gerade zwei junge Frauen um die 20 Unterricht. Immer im Wechsel und in Anwesenheit der Lehrerin der Klasse, die hier und da übernimmt, korrigiert und Feedback gibt. Die beiden hatten schon ca. 20-30 komplette Tage Unterricht vor einer Klasse hinter sich. Und die Kinder finden es toll, weil manche gerade zu hungern zu den Lehrkräften einen besseren Draht zu finden. Ich kenne aus dem persönlichen Bekanntenkreis in Deutschland Lehrer, die erst viele Jahre nach Start des Studium das erste Mal vor einer Klasse standen. Wer da merkt: „Oh, so fühlt sich das an, das ist ja gar nicht meins“ – der steht vor ner schwierigen Entscheidung. Die Jahre in die Tonne und das Studium abbrechen? Solche Situationen sind – wie man in Finnland sehen kann – absolut vermeidbar. Das würde ich mir also sehr gerne wünschen für unser Schulsystem. Und diese Entwicklung scheint auch nach und nach im Gange zu sein.