Girlhood-Musik gegen Misogynie: Henriette II verzaubert mit ihrem „Book Boyfriend“
Danach bist du natürlich auch wieder aufgetreten, oft in Rollen, die du schon einmal gespielt hast, wie Wednesday Addams. Wie fühlt es sich an, eine Rolle nach langer Zeit wieder zu spielen?
Henriette II: Wednesday jetzt wieder verkörpern zu dürfen, ist einfach nur crazy – vor allem, weil die Netflixserie so durch die Decke geht. Ich liebe es, wie viele im Publikum als Addams verkleidet sind oder „Thing“ auf der Schulter sitzen haben. Das ist schon special und fühlt sich ein bisschen wie Nachhausekommen an.

Deine Spätsommersingle hörte auf den Namen „Royal“ und deine beste Kindheitsfreundin Elisabeth wird darin quasi zur Kaiserin. All diese Motive, die du in deiner Musik verbindest, schreien Girlhood in the very best way. Allerdings wurde dieses Feiern von Themen, die extrem girly sind, erst so richtig populär im Sommer des „Barbie“-Films und der Eras Tour. Hattest du anfänglich Bedenken, mit deiner Ästhetik gut anzukommen? Misogynes Gedankengut wächst ja leider weiter …
Henriette II: … was für mich eher ein Grund ist, noch mehr Liebe dagegenzustellen. Angst bringt uns nicht weiter; was wir brauchen, sind mutige Stimmen, Zusammenhalt und gerne auch mehr Armbänder (lacht).
Spannend ist tatsächlich aber: Als ich „Royal“ geschrieben habe, hatte ich gar kein Girlhood-Konzept im Kopf. Für mich war es einfach die Geschichte meiner sehr engen Freundschaft zu Elisabeth – etwas, das genauso gut zwischen zwei völlig anderen Menschen hätte existieren können. Deshalb fühlte sich „Royal“ auch nicht wie ein Mut-Akt an, sondern einfach wie meine Wahrheit.
Vielleicht zeigt sich darin aber etwas Grundsätzliches: Teile der Gesellschaft bezeichnen Dinge noch immer als „girly“ und werten sie damit ab, obwohl sie universelle Erfahrungen berühren. Oft steckt darin vielleicht auch die Angst vor Emotionen, die kulturell lange als „schwach“ galten, wie Zärtlichkeit, Sensibilität, Empathie, Weichheit oder Durchlässigkeit. Dabei verlangen genau diese Qualitäten enorme Stärke.
Dass die zugehörige Ästhetik heute sichtbarer und selbstverständlicher gefeiert wird, ist für mich eine wichtige Gegenbewegung zu alldem, was diese Gefühle jahrhundertelang kleingemacht hat. Und wenn „Royal“ für manche wie eine Hymne auf Girlhood klingt, freue ich mich sehr. Dann hat etwas Persönliches von mir eine Bedeutung bekommen, die größer ist als meine ursprüngliche Perspektive.
Das Ende des Jahres 2025 liegt vor uns und es war für dich wirklich ein bewegtes Jahr! Was waren deine Highlights?
Henriette II: Im Theater: Johanna, die „Päpstin“ und Wednesday in zwei völlig unterschiedlichen Inszenierungen spielen zu dürfen. „Die Päpstin“ war für mich tatsächlich eine neue Rolle – und eine unglaublich intensive. Johannas intuitiver Glaube an ihre Bestimmung, die Opfer, die sie dafür bringt, die Schicksalsschläge, die sie durchlebt: Das ist großer Stoff. Da die eigene Seele reinzulegen und ihre Geschichte zu erzählen, war ein Geschenk. Als Henriette II.: Dieses Artist Project überhaupt aus dem Boden gestampft zu haben. Und generell: meinem Vorsatz treu geblieben zu sein, viel klarer für mich und meine Grenzen einzustehen.
Und was siehst du für 2026 vor?
Henriette II: Weitermachen wie bisher, nur krasser.
Bild: Foto von Vysotskyi Photography