„The Hidden Flag“: Wenn WM-Trikots zum Regenbogen werden

Treffen sich eine Spanierin, ein Holländer, ein Brasilianer, ein Kolumbianer, ein Mexikaner und eine Argentinierin. Was wie ein Witz beginnt, ist der Anfang einer großartigen Aktion gegen Diskriminierung. Der Anfang von „The Hidden Flag„. Denn wenn diese sechs Menschen aus diesen sechs Ländern die Trikots ihrer Nationalmannschaften tragen und sich nebeneinander stellen, ergeben sie einen Regenbogen – das Symbol der LGBTQ Community. Warum „hidden“? In Russland gelten immer noch Gesetze, die nicht-heterosexuelle Menschen diskriminieren, weshalb auch Regenbogenflaggen verboten sind. Doch wenn während einer Weltmeisterschaft Leute in bunten Trikots herumlaufen, fällt das keinem so schnell auf.

„Während der Gay Pride Week in Spanien startete auch die WM in einem so eingeschränktem Land wie Russland, was den perfekten Zeitpunkt für so eine Initiative bot. Zusammen mit FELGTB, der größten LGBTQ Organisation Spaniens, hofften wir, Aufmerksamkeit für die diskriminierenden Gesetze in Russland zu bekommen und die Verantwortlichen unter Druck zu setzen“, erzählt Sarah von der spanischen Agentur Lola Mullenlowe, die das Projekt initiierte, in einem Interview mit ZEITjUNG.

Und auch Mateo, der kolumbianische Teilnehmer, berichtet ZEITjUNG euphorisch von dem Projekt. Er hat gleich zugesagt, als eine homosexuelle Person aus Kolumbien wegen der Farbe des Trikots gesucht wurde: „Ich wollte den Menschen zeigen, dass sechs Menschen aus der ganzen Welt in Russland zusammenkommen, weil wir hinter ihnen stehen und wissen, was abgeht, und etwas ändern wollen.“ Und das, obwohl oder gerade weil er selbst nie mit Diskriminierung konfrontiert wurde in seinem bisherigen Leben. So war die Teilnahme auch für ihn unglaublich bereichernd: Man kann sich nicht vorstellen, wie mir dieses Projekt die Augen geöffnet hat. Ich war dort für zwei Tage. Aber die Menschen, die dort leben, wachen auf und gehen auf die Arbeit immer mit der Angst, entdeckt zu werden. Ich will auf jeden Fall in Zukunft aktiver sein.“

 

Die WM war das richtige Versteck

 

Aber wie fühlt es sich an, in einem Land, wo LGBTQ Menschen verfolgt und verhaftet werden, eine geheime Kampagne durchzuführen? Mateo gibt zu: „Ich bin eine nervöse Person und das Gefühl war wirklich intensiv. Aber wir sechs haben uns gegenseitig beruhigt und waren immer füreinander da.“ Ein besseres Symbol als sechs fremde Menschen, die sich für andere einsetzen und dabei gleichzeitig untereinander zusammenhalten, gibt es kaum.

Trotzdem gab es einen Notfallplan: Wenn etwas schiefgehen sollte, wollten sie sich aufteilen und nicht kennen. Um unentdeckt zu bleiben, war der Fußball-Kontext genau der Richtige. Zum einen, weil „die Leute dachten, ‚Oh schau, da machen sechs Leute aus verschiedenen Ländern zusammen Fotos.‘ Sie dachten eher an den Zusammenhalt der Welt als den der LGBTQ Community.“ Und zum anderen, sagt Sara, „weil die ganze Welt zuschaut. Das hilft, mehr Menschen zu erreichen und unsere Nachricht zu verbreiten.“

 

Wie sind die Reaktionen?

 

Im Moment werden sowohl die Agentur als auch die Teilnehmer des Projekts bombardiert mit Nachrichten und Interviewanfragen. „Wir sind so dankbar für die überwältigenden, positiven Reaktionen“, sagt Sarah. Auch Mateo schwärmt: „Manche schreiben uns, dass wir ihr Leben verändert haben. Das ist so herzerwärmend.“ Und genau von diesen Menschen, die mit so unglaublich großartigen Ideen Leben verändern, brauchen wir mehr.

Denn auch, wenn die Trikots der Nationalmannschaften bunt sind und die FIFA Anti-Rassismus-Kampagnen schaltet, ändert das nichts daran, dass Russland und so viele andere Länder all die Menschen verfolgen, die nicht in ihr Bild passen. Die ganze Welt schaut auf Russland – aber eher auf einen rollenden Ball als eine diskriminierende Regierung. Erst „The Hidden Flag“ hat unseren Fokus auf diese wirklich wichtige Sache gelenkt und die Weltmeisterschaft in der richtigen Reihenfolge bunt gemacht.