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Homaed Ishaque Moon, 30, arbeitet in einem Rohingya-Flüchtlingscamp

„Es war ein sonniger Tag, als ich mich durch das Rohigya-Camp von Moinar Guna, Palongkhali in Ukhiya, Bangladesch bewegte. Zu der Zeit wurden die meisten Waldflächen gerodet, um Flüchtlingscamps zu errichten. Das Gebiet ist ein bisschen bergig und liegt direkt an der Küste, sodass jegliche Wetterbedingungen herrschen können. Ich sah ein grinsendes, süßes Gesicht, was mich aus einem Schattenplatz anschaute. Es ist ein nur drei Jahre alter Junge, namens Hasan und trug ein rotes T-shirt. Meine Kamera konnte nicht anders, als sein lachendes Gesicht immer und immer wieder aufzunehmen, um den Moment nicht zu verpassen. Es ist wirklich schwierig, ein grinsendes Gesicht in dieser verheerenden Situation im Rohingya-Camp zu finden, somit machte ich mich auf, um mehr grinsende Gesichter einzufangen. Es war wirklich herzzerreißend, all die Flüchtlinge im Camp zu sehen.“ – Homaed Ishaque Moon im Oktober 2017

Den Rohingya fehlt es an vielem – aber vor allem an Anerkennung

Die Rohingya, ein muslimisches Volk aus dem West-Staat Rakhine in Myanmar, werden seit Jahren systematisch verfolgt. „Heimat“ können sie wohl keinen Ort auf dieser Welt nennen. Denn sie werden nirgendwo akzeptiert, höchstens „geduldet“, wenn das nicht schon zu positiv klingt. Kein Land will sie offiziell als Bürger anerkennen. Myanmar behauptet, sie seien erst unter britischer Kolonialherrschaft, die bis zum Ende des zweiten Weltkrieges andauerte, eingewandert und stammten in Wahrheit aus Bangladesch. Bangladesch wiederum sagt genau das Gegenteil. Die Rohingya selbst sind der Meinung, dass sie seit Jahrhunderten in Myanmar siedeln.

Das Ergebnis: Ein Haufen gegensätzlicher Meinungen und dann wäre da noch ihr wohl eher indisches Aussehen und ihr anderer Glaube – im Gegensatz zur buddhistischen Mehrheit in Myanmar. Nicht zuletzt sind es die ethnischen Spannungen, bei denen besonders die radikalen buddhistischen Mönche durch ihren Hass auf die Rohingya-Muslime hervorstechen. Diese Menschen haben eine scheinbar riesige Angriffsfläche und stecken vor allem in einem verdammten Teufelskreis.

Nach UN-Angaben sind seit August letzten Jahres über 640.000 Rohingya nach Bangladesch geflohen. So viele, wie die Stadt Stuttgart Einwohner hat. Und jetzt stellt euch einmal vor, die müssten fliehen, weil ihre Stadt zerstört wurde. Zu Fuß.

Human Rights Watch spricht von 354 Dörfern der Rohingya, die seit dem 25. August 2017 teilweise oder vollständig zerstört worden sind. Der Grund? Seit Ende August ist der Konflikt endgültig eskaliert, nachdem Rohingya-Rebellen im Bundesstaat Rakhine Soldaten und Polizisten angegriffen und dutzende Sicherheitskräfte getötet haben sollen. Das burmesische Militär reagierte daraufhin mit brutaler Gegengewalt. Dieses Volk ist allen schrecklichen Dingen ausgesetzt, die sich jeglicher Vorstellungskraft eines in Frieden lebenden Bürgers entziehen:

Schüsse, Verbrennungen, sexuelle Gewalt und Tod.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen spricht von 6700 Toten in nur einem Monat. In den Flüchtlingscamps ist die Lage wohl besser als in ihrem vermeintlichem Heimatland, doch auch dort leiden sie. Unterernährung, durchnässte Zelte, spärlich zusammengebaute Hütten, Dreck und fehlende Hygiene bestimmen ihren Tagesablauf.

„…es liegt in meiner Verantwortung.“

Während auch ich nur vor meinem Laptop sitze, und all diese schrecklichen Nachrichten lese, fand ich einen Herrn, der weiß, wie es um die Rohingya beschaffen ist. Sein Name ist Homaed Ishaque Moon, von Freunden auch einfach nur „Moon“ genannt, geboren in Bangladesch studierte er Business Administration und setzte noch einen Master in Media studies und Journalism drauf. Er beschreibt sich als Abenteurer, geht gern bergsteigen und fotografiert. Er hat sich allerdings auch einer anderen Aufgabe verschrieben: „Ich denke, es liegt in meiner Verantwortung“, sagt er. Denn Homaed arbeitet für die internationale Hilfsorganisation Relief international, welche unter anderem auch in dem Rohingya Flüchtlingscamp in Cox’s Bazar, an der Grenze zu Myanmar tätig ist.

„Diese Erfahrung, in solch einer Notsituation mitgeholfen zu haben, werde ich ein Leben lang behalten. Ich liebe es, humanitäre Arbeit zu leisten. Das macht mich selbstsicherer und motiviert mich.“

Aber ich habe Homaed nicht nur gefragt, wieso er selbst hilft, sondern auch wie er persönlich die derzeitige Situation einschätzt: „Da ich selbst im Flüchtlingscamp arbeite, ist meine Beobachtung, dass die derzeitige Situation ein bisschen stabil ist. Die Rohingya haben eine Übergangsschutz, Medizin, regelmäßige Mahlzeiten, Hygieneprodukte und psychologische Unterstützung. Viele nationale und internationale Organisationen arbeiten hier, um den Menschen aus ihren traumatischen Zuständen herauszuhelfen. Auch unsere Regierung schlägt diplomatische Wege ein, um den Rohingya in Myanmar ein sicheres Leben zu ermöglichen.“

War ich froh, diese optimistischen Worte von jemandem zu lesen, der wirklich persönlich vor Ort ist. Er hat keine medienverzerrte Wahrnehmung, sondern berichtet aus eigenen Erfahrungen. Homaed schoss die Fotos während seiner Voluntärs-Arbeit für die Organisation TIKA (Turkish cooperation and coordination Agency) im Oktober letzten Jahres. „Ich bin positiv gestimmt, auch sie sollten in Frieden leben können.“, sagt er. Frieden – für uns, die in einem reichen, westlichen Industriestaat leben, ist das ganz normal. Dass aber genau das nicht Normalität ist, führen uns Nachrichten über Schicksale wie das der Rohingya täglich vor Augen.

„Ich glaube, die Verfolgung der Rohingya ist in dem Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen in Myanmar begründet, wobei die Buddhisten dort zahlenmäßig in der Mehrheit sind. Ich denke also, dass es ein religiöses Zusammenstoßen ist, bei dem auch die Regierung Myanmars mit in der Verantwortung ist“, antwortet mir Homaed zuletzt auf meine Frage, was er persönlich für einen Grund für die Verfolgung der Rohingya sieht.

Während der Tage im Oktober, als er für TKA arbeitete, hat er größtenteils den Kindern ihr Mittagessen ausgeteilt. „Es sind über 20.000. Eine große Zahl hungriger Kinder kommt jeden Tag, um ihr Essen mit ihren Tellern und Schüsseln einzusammeln. Wir wurden auf chaotische Situationen wie diese geschult, um das Essen an all diese Kinder in einem kontrolliertem Ablauf zu verteilen“, erzählt er. Die Kinder teilen das Essen anschließend mit ihren Familien.

Homaed schreibt, dass die Regierung Bangladeschs diplomatische Verhandlungen mit der Myanmars zu führen versucht, damit die Rohingya wieder zurück an ihren Platz kehren können. An ihren Platz, an dem sie in Sicherheit leben können. Wird aber „ihr Platz“ jemals auch ihre „Heimat“ im wahrsten Sinne des Wortes sein?

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Bildquelle: Homaed Ishaque Moon