IOC-Prognose: Bedeutet der Klimawandel das Aus für den kommerziellen Wintersport?

Über die letzten olympischen Winterspiele in China wurde viel diskutiert. Besonders die Bilder von der Schanze in Shijingshan sorgten bei vielen für Verwirrung. Statt einem Gebirgspanoramas erwartete die Zuschauer*innen ein weniger stimmungsvoller Ausblick auf die im Hintergrund stehenden Kühltürme. Die in einem Industriegebiet gebaute Anlage war zudem mit Kunstschnee präpariert worden, da es in Peking viel zu warm war. Was wie ein dystopischer Fiebertraum klingt, könnte bald schon zum gewohnten Anblick werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sieht die durch den Klimawandel weltweit steigenden Temperaturen als großes Problem für den Wintersport. Fans und auch Teilnehmer*innen müssten sich demnach auf tiefgreifende Veränderungen einstellen.

Selbst in einigen klassischen Wintersportregionen wird der Schnee bereits knapp. Das reduziert die Anzahl der Austragungsorte für Sportgroßveranstaltungen erheblich.

Das Olympia-Komitee ist alarmiert

Für die Austragung von Wettbewerben typischer Wintersportarten könnte der Schnee an vielen Orten bald kaum noch reichen. Davon geht auch der Sportfunktionär und IOC-Präsident Thomas Bach aus. In Berufung auf die neusten Ergebnisse einer aktuellen Studie wies er darauf hin, dass innerhalb der nächsten 30 Jahre bis zu 60 Prozent aller Wintersportgebiete verloren gehen könnten. Die Bedingungen vor Ort würden den Anforderungen der olympischen Winterspiele dann nicht mehr entsprechen. Neu ist diese Prognose keineswegs und viele gefährdete Regionen, die zurzeit noch als Paradiese für Skifahrer, Snowboarder und Co. gelten, richten sich wirtschaftlich bereits neu aus. So lässt sich vielerorts ein deutlicher Rückgang der Investitionen in Wintersportanlagen beobachten. Stattdessen baut man lieber das Angebot für andere Outdoor-Sportarten aus. Grundsätzlich nehmen Forscher*innen an, dass das schneesichere Zeitfenster durch den kürzer werdenden Winter immer weiter schrumpft, weshalb die Austragung mehrwöchiger Wettbewerbe zu organisatorischen Problemen führt. Innerhalb des IOC hat diese Entwicklung zu Diskussionen über die Zukunft der Winterspiele geführt. Neben den Auswahlkriterien für potenzielle Austragungsorte ging es dabei auch um mögliche Auswirkungen auf die zukünftige Programmgestaltung. Nachdem Tokio bereits eine Absage erteilt hat, bleiben als Austragungsorte für die Winterspiele 2030 nur noch Salt Lake City und Sapporo übrig.

Große Sportevents sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor

Die olympischen Spiele sind für die teilnehmenden Athlet*innen nicht selten der Höhepunkt der eigenen Karriere. Das öffentliche Interesse an dem Großevent geht jedoch weit über das Mitfiebern vor dem Fernseher hinaus und manifestiert sich auch in einer zelebrierten Fankultur und unzähligen Merch-Artikeln, die bereits Wochen vor Beginn in den Regalen stehen. Längst haben auch der IOC und diverse Unternehmen erkannt, dass die olympischen Spiele ein Milliardengeschäft sind. Besonders Sponsorenverträge sind für beide Seiten äußerst profitabel. Neben den üblichen Verdächtigen, wie Sportartikel- und Softdrink-Unternehmen greift sich auch die Glücksspielindustrie einen immer größeres Stück vom Kuchen. Die Umsatzmöglichkeiten für die Wirtschaft bleiben in diesem Zusammenhang nicht auf die reine Sportwette beschränkt, sondern umfassen z. B. auch Portale und Webseiten, die die nötigen Hintergrundberichte liefern. Olympia-Fans, die sich beim Wetten nicht nur auf ihr Glück verlassen wollen, holen sich nämlich für die professionelle Sportwetten Tipps und Prognosen von spezialisierten Medien. An diesem Beispiel zeigt sich sehr gut, wie sehr bestimmte Branchen und Akteur*innen sowohl direkt als auch indirekt von sportlichen Großereignissen profitieren. Wie umfangreich die Auswirkungen sind, hängt für den Austragungsort jedoch stark vom gesellschaftlichen Umfeld ab. Wo es eine regelrechte Sport- und Fankultur gibt, da sind die Synergieeffekte dementsprechend größer. Diesen Zusammenhang hatte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags bereits bei einer Ausarbeitung zu diesem Thema im Jahr 2014 herausgearbeitet.

Die olympischen Winterspiele sind ein wichtiger ökonomischer Faktor für das IOC und die Gastgeberländer.

Anzahl der potenziellen Gastgeber schrumpft

Wenn der Schnee im Winter ausbleibt, lassen sich auch keine Wintersportarten vor Ort austragen. Was wie eine sehr simple Faustregel klingt, wird beim Auswahlverfahren für potenzielle Austragungsorte der Winter-Olympiade zu einem echten Problem. Besonders die Aussicht, spätestens 2050 auf über die Hälfte aller Wintersportgebiete in Europa verzichten zu müssen, sorgt beim IOC und den Fans gleichermaßen für Verstimmungen. Das aktuelle Ringen um einen passenden Austragungsort für 2030 hat zwar nur bedingt mit den Auswirkungen des Klimawandels zu tun, doch auch in diesem Kontext spielt das Thema bereits eine Rolle. Man hat allerdings schon einen Notfallplan in der Hinterhand. Sollte sich kein Gastgeberland finden lassen, würde man das Event um ein Jahr verschieben. Zeitgleich möchte das Komitee für die zukünftigen Auswahlverfahren neue Regeln festlegen. Ein mögliches Szenario könnte sein, dass Bewerbungen nur dann zugelassen werden, wenn die Gastgeberländer für die Austragungsorte über einen Zeitraum von rund 10 Jahren die nötigen Temperaturen nachweisen können. Für die Messungen relevant wären dann jeweils die jährlichen Temperaturen rund um den olympischen Monat Februar.

IOC arbeitet bereits an Lösungen

Als neues Vergabemodell visiert das IOC aktuell ein Rotationssystem an, in das alle Austragungsorte aufgenommen werden, die sich über die neuen Bewerbungsregeln qualifizieren können. Da man sich der wirtschaftlichen Bedeutung der olympischen Spiele im Klaren ist, steht auch die Überlegung einer doppelten Vergabe im Raum. Bereits bei der Vergabe für die Spiele 2024 und 2028 ist man diesen Schritt gegangen. Nachdem die Sommerspiele für 2028 in Los Angeles geplant sind, wäre im Falle einer Doppelvergabe auch Salt Lake City für den Wunschtermin 2034 wieder im Rennen, wenn Sapporo für 2030 den Zuschlag bekäme. Eine wenig diskutierte Alternative ist die Austragung an künstlich beschneiten Anlagen – notfalls auch in warmen Regionen. Vorreiter in diesem Bereich ist Saudi-Arabien mit einem ambitionierten Projekt, welches bereits 2026 fertiggestellt werden soll. Schon die Winterspiele in China, bei der mit deutlich geringerem technischen Aufwand für die richtigen Voraussetzungen gesorgt wurden, waren jedoch stark in die Kritik geraten. Im Falle einer Austragung in künstlichen Winter-Ressorts sähen sich die Spiele mit dem berechtigten Vorwurf einer massiven Ressourcenverschwendung konfrontiert. Einen solchen Schritt zu wagen, könnte sich deshalb schnell als PR-Desaster entpuppen.

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