Jeder Name zählt: mit diesem Crowdsourcing-Projekt können wir ein Denkmal für NS-Opfer setzen

Reihe für Reihe geht man sie durch, die spanischen, polnischen und tschechischen Namen. Ihre Geburtsdaten. Ihre Berufe. „Zugang: 18.2.45“ steht in verblasster Schrift auf dem vergilbten Zettel. Daneben ein roter Stempel: „verstorben“. Die Aolsen Archives sind mit Dokumenten zu rund 17,5 Menschen und ihren Schicksalen die größte Dokumentensammlung weltweit über die Opfer des Nationalsozialismus – und zählen zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Zum 75. Jubiläum des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager wurde eine Aktion ins Leben gerufen. Mit „Jeder Name zählt“ sollen die Zeugnisse der Vergangenheit vom Papier ins Online-Archiv übertragen werden. Das Besondere daran: Jeder kann dabei helfen.

Was steckt dahinter?

Rund 20000 Anfragen gehen jährlich bei den Arolsen Archives ein. Familienangehörige, Freunde und Bekannte, die nach den letzten Spuren der vermissten NS-Verfolgten suchen. Häufig scheitert die Suche, weil Namen aufgrund fehlender Verknüpfungen zwischen verschiedenen Listen verloren gehen. Das soll sich jetzt ändern. Die Institution baut eine Online-Datenbank auf, die die Suche für Familien und Forscher vereinfachen soll. Weil das bei so einer Riesen Menge an Daten ziemlich lange dauert, holt sich das Team der Arolsen Archives jetzt Hilfe. Und zwar von uns. „Jeder Name zählt“ ist ein Crowdsourcing-Projekt. Das heißt, dass jeder dabei helfen kann, so schnell wie möglich die weltweit größte Dokumentensammlung über das NS-Regime zu digitalisieren. 

Wie funktioniert’s?

Mitmachen ist ganz einfach. Man öffnet einfach die Projektseite, erhält ein paar hilfreiche Startinformationen und schon erscheinen Transportlisten oder Statusmeldungen aus ehemaligen Konzentrationslagern. Je nachdem, wie viel Zeit man hat, kann man zwischen verschiedenen Optionen wählen. Wer sich nur einige Minuten mit der Dokumentation der Daten beschäftigen will, wählt die Option „Dachau“. Wer länger Zeit hat, der klickt auf „Dachau – erweitert“ oder „Mauthausen Listen“. 

Jedes Dokument wird übrigens von mindestens drei Personen unabhängig voneinander gelesen und übertragen. Also keine Sorge! Auch wenn man sich mal vertippt oder einen Namen nicht entziffern kann, ist es unmöglich, dass sich in der Datenbank Fehler einschleichen.

Der Anblick der bräunlich verfärbten Listen bringt einen zum Schlucken. Beim jedem Namen, den man entziffert, bei jedem Geburtsdatum, das man überträgt. Immer wieder fragt man sich, wer hinter den einzelnen Namen steckt. Immer wieder rechnet man nach, wie alt die Leute damals gewesen sein müssen, als sie in die Konzentrationslager in Dachau, Buchenwald und Natzweiler eingeliefert wurden. Teilweise stehen sogar die Berufe dabei und welche Funktionen die Häftlinge in den Lagern übernehmen mussten.

Ein Ziel der Aktion ist nicht nur die Digitalisierung dieser Daten. Die Menschen, die die Daten online übertragen, sollen sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen und der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Und es funktioniert. Schon nach wenigen Minuten hat man Tränen in den Augen. Durch die Vorstellung der Größe dieser Datenbanken und die persönlichen, privaten Informationen über diese Menschen wirkt das Thema auf einmal wieder sehr nahe. Weil eben jeder Name zählt.

Wie läuft die Aktion?

Über 4.800 Freiwillige haben bisher an der Aktion teilgenommen. Die Daten von über 850000 Personen wurden bisher digitalisiert. Es fühlt sich gut an, dabei zu helfen, die Datenbanken zugänglicher zu machen. Einen kleinen Teil dazu beizutragen, die Suche für Familienangehörige und Bekannte von Betroffenen zu vereinfachen. Und es bleibt noch einiges zu tun, denn immerhin müssen noch über 60% der Daten ins Online-Archiv übertragen werden.

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Bildquellen: Arolsen Archives