Joanna Stein Sex Kolumne

Frag Joanna! „Ich hatte Sex, obwohl ich überhaupt keine Lust hatte!“

Birds do it, bees do it, even educated fleas do it… Wir Menschen machen es auch, denn mal ehrlich, wir sind alle sexuelle Wesen. Wir können gar nicht anders. Blöderweise kommt uns aber manchmal die von Cole Porter beschriebene Leichtigkeit abhanden, wenn wir mit nackten Tatsachen konfrontiert sind. Plötzlich sind da Unsicherheiten, Untiefen, Situationen; Dinge sind nicht mehr taghell oder nachtschwarz. Oft bewegen wir uns in den grauen, schattigen Zwischenräumen. Und dann? Für Dr. Sommer sind wir zu alt, unsere Freunde wissen auch nicht alles und manches wollen wir sie lieber nicht fragen. Pornos beantworten einige Fragen, können aber auch neue aufwerfen. 

Geht’s dir auch so, ab und an? Wir haben uns Sexualpädagogin Joanna Stein ins Team geholt. Von nun an wird sie in ihrer Serie eure Fragen rund um die schönste Sache der Welt beantworten. 

Die Frage: Vor ein paar Monaten wollte mein Freund Sex mit mir. Ich kam grade aus der Arbeit, war müde und hatte keine Lust. Meine Libido war in letzter Zeit ziemlich lahm, aber ich hatte das Gefühl, dass ich ihm zur Verfügung stehen muss. Ich hab ihn also machen lassen, obwohl ich am liebsten aufgehört hätte, weil sich das schrecklich angefühlt hat. Ich hab mich benutzt gefühlt. Ich weiß auch, dass er sofort gestoppt hätte, wenn ich ihm was gesagt hätte, aber ich konnte oder wollte nicht. Das ist jetzt schon einige Zeit her, aber ich muss immer noch darüber nachdenken. Ich schäme mich so dafür, dass ich ein schlechtes Gefühl hab, vor allem, weil ich die Situation damals selbst hätte ändern können, aber die Kontrolle nicht übernommen hab.

Die Antwort: Sich benutzt zu fühlen, das ist ein ziemlich mieses Gefühl. Man hat nicht wirklich Ja gesagt, aber man hat sich eben auch nicht gegenteilig geäußert. Und damit hängt man dann in diesem fiesen Zwiespalt fest, in dem du dich grad befindest. Du hättest es in der Hand gehabt, diese Geschichte zu beenden, bevor sie überhaupt angefangen hat. Und dennoch hast du das nicht. Und warum nicht? Tja, ab hier wird’s interessant.

Was bringt einen zu der Annahme, dass man etwas Bestimmtes tun muss – in diesem Fall Sex – obwohl man eigentlich nicht möchte? Eine riesige Portion Unsicherheit ist da auf jeden Fall beteiligt. Schlechtes Gewissen auch. Und ein angekratzter Selbstwert vielleicht. Und all das vereint sich zu einem Emotionsknäuel, das man erstmal nicht so leicht wieder auseinander dröseln kann. Je länger man das mit sich herum trägt, desto größer wird der Unwillen, sich wieder in ähnliche Situationen zu begeben. Aus dem schlechten Gefühl wird dann ganz schnell ein riesiges Problem.

 

Na gut, dann mach halt…

 

Du schreibst, dass du dich aufgrund des mangelnden eigenen Antriebs verpflichtet gefühlt hast. Und dann eben die Klappe gehalten hast, anstatt zu sagen „Hey, irgendwie hab ich zur Zeit grade nicht so Lust…“. Dieses Pflichtgefühl nährt sich oft aus der Angst, den Partner zu verlieren. Meistens ist die wahrscheinlich unbegründet. Wenn man sich traut, anzusprechen, dass die Libido auf Wanderschaft ist und gemeinsam nach ihr suchen geht, dann kriegt man dieses Problem ziemlich sicher bald gelöst. Daran kann und sollte man arbeiten. Wenn sich dabei rausstellt, dass der Partner tatsächlich keine Akzeptanz dafür aufbringen kann, wenn man nicht mag, dann sollte man eher die Beziehung an sich, anstelle der eigenen Person, in Frage stellen.
Ich wiederhole mich, aber Kommunikation ist die Basis jeder guten Beziehung. Solange man nicht in der Lage ist, die Karten auf den Tisch zu legen und diese dann sinnbildlich zu einem gemeinsamen Blatt zusammen zu mischen, kann es – auch im Bett – nicht wirklich gut werden.

 

Rutsch mal ein Stück, liebe Unsicherheit!

 

Neben der partnerschaftlichen Seite musst du aber vielleicht auch bei dir selbst noch ein bisschen genauer hinsehen. Die Geschichte mit der Libido kann körperliche Ursachen haben. Aber auch ungünstige äußere Umstände – zu viel Stress im Job, Veränderungen im sozialen Umfeld – können dazu führen, dass die Lust sich nicht mehr so leicht anfachen lässt. Und dann mag es da noch Gründe geben, die dich auch unabhängig vom Sex verunsichern. Wie wohl du dich mit deinem Körper fühlst zum Beispiel, oder auch Ängste, die dich schon länger verunsichern. Nimm dir Zeit, gut in dich hineinzuhorchen. Schreib dir vielleicht auf, was du dabei findest, geh an, was sich bearbeiten lässt, freunde dich aber auch mit der einen oder anderen Schwäche an! Einige Schwächen als Teil von sich selbst zu akzeptieren, kann einen langfristig in jedem Fall stärker machen… Achtsamkeit rockt.

Wie auch immer du das dann anstellst, das schlechte Gefühl hat dich nicht in der Hand. Es ist schon anders herum. Also trau dich auch so zu handeln!