Wer hat Angst vorm bösen Clown?
Es ist, als wäre ihnen ein virtuoser Sprung aus den Manegen dieser Welt in unseren Alltag gelungen: Clowns. Doch anstatt dass sich nun fidele oder auch trottelige Figuren unter uns mischen, jagen sogenannte Horrorclowns Menschen im echten Leben Angst ein. Längst warnen Medien vor gewalttätigen Angriffen und Innenminister Thomas De Maiziere fordert „null Toleranz“ gegenüber den brutalen Späßen. Dabei geht die Version des gewalttätigen, metzelnden und sadistischen Pantomimen, wie auch Batmans Joker einer ist, auf die Ästhetik des 19. Jahrhunderts zurück.
Schluss mit lustig
Ein Blick in die Literatur zeigt, dass Gewalt nicht erst seit dem Joker zum Bühnenspiel von Clowns gehört. Wie die Komparatistin Anna-Sophie Jürgens schreibt, entsteht der Archetyp des bösen Clowns im 19. Jahrhundert. Im französischen Théâter des Funambules wurde erstmals „artistisch geohrfeigt, geknufft, verdroschen“. Fortan lacht das Publikum über die brutale Deformation der Artisten, die ihre Körper als Waffen und artifizielles Repertoire verwenden.
Ende des 19. Jahrhunderts erobern die Hanlon Lee Brüder den Zirkus, und mit ihnen die makabere Inszenierung des Todes. In ihren Stücken greifen sie die Ambivalenz von Ekel und Faszination, Abstraktion und Anatomie auf, massakrieren beispielsweise in Les quatres Pipelettes die geretteten Schiffsbrüchigen. Doch was paradox klingen mag, gehört für den deutschen Philosophen Adorno zu einer modernen Ästhetik. Jürgens schreibt dazu: „Gewaltsame Deformation wird zum Kennzeichen moderner Kunstwerke.“
Im 20. Jahrhundert wird der sadistische Spaßmacher zum beliebten Topos. Spannend daran ist, dass es nicht um Gründe geht, sondern der Akt des Tötens als etwas Virtuoses dargestellt wird. Inhalt wird durch Irrationalität ersetzt. Außerdem wird das Maskenhafte zum essentiellen Merkmal der Mordclowns, die in Literatur und Filmen in den Alltag der Menschen einbrechen. Mit ihrem skurrilen, absonderlichen Aussehen und ihrer humorvollen Brutalität scheinen sie besonders attraktiv für visuelle Medien. Dabei wurde kein anderes Grinsen so oft zitiert wie der Joker aus der Batman-Saga.
„Upset the established order and everything becomes chaos“
Der Joker ist das wahnsinnige Alter Ego Batmans, dessen Ziel die Zerstörung des Systems ist: „Upset the established order and everything becomes chaos.“ Selbst seine Fratze ist eine Hommage an das seltsame Spiel aus Sadismus und Chaos, wird doch niemals geklärt, woher er das eingeritzte Lachen hat. War es eine Reaktion auf die ständige Kritik seiner Exfreundin oder ein brutaler Akt seines Vaters? Gleichzeitig behält dieser Clown die Virtuosität aus der Zirkusmanege bei. Denn die inszenierten Tötungsakte sind, wie Jürgens schreibt, „virtuoso killing acts or performances“.
Um die Genese der derzeit berüchtigten Horrorclowns ranken sich viele Mythen. Eine These dreht sich um ein 2014 gedrehtes YouTube-Video mit dem Namen Killer Clown Scare Prank. Andere Theorien basieren auf einem Marketing-Gag zu dem Low-Budget Horror Movie über den Clown Gags. In jeden Fall ist es so, als würden Gewaltclowns im 21. Jahrhundert das Internet und den Alltag zu Manegen umfunktionieren. Unklar bleibt aber, ob diese Coulrophobie – die Angst vor Clowns – damit zusammenhängt, dass das WorldWideWeb zur beliebtesten Bühne unserer Zeit geworden ist. Oder damit, dass Satire kaum mehr von Realität zu unterscheiden ist. Damit, dass die herrschende Ordnung eh schon zerrüttet ist, wie ein Trump oder Brexit zeigen.