„So höre ich die Stadt“ – Dieser Künstler zeigt, wie Hörgeschädigte unsere Welt wahrnehmen
Wir sehen, wir hören, wir riechen, wir schmecken, wir fühlen. Ganz selbstverständlich. Und vergessen viel zu schnell, dass es eben nicht selbstverständlich ist. Wenn nur eine Fähigkeit beeinträchtigt ist, bekommen wir Schwierigkeiten im Alltag. Dass die Welt zwar anders, aber nicht begrenzt ist, zeigt uns dieser Künstler.
Der chilenische Fotograf Eduardo Asenjo Matus hat Hörprobleme. Wenn er sich mit jemandem unterhält, muss er seine Umwelt ausblenden, um denjenigen verstehen zu können. Genau das stellt er auf seinen Fotos dar. Er verwandelt akustische Erfahrungen in visuelle. So kann jeder Betrachter nachvollziehen, wie überfordernd die Lautstärke einer Stadt sein kann. Jedes seiner Fotos scheint in Bewegung zu sein. Jedes Foto verleiht uns erst leichten Schwindel und dann das Gefühl, zu verstehen. Und gleichzeitig sind sie wunderschön. Also sind wir dankbar dafür, dass wir diese Fotos sehen können.
ZEITjUNG: Wann und warum hast du mit der Fotografie begonnen?
Eduardo: Ich habe immer gerne gemalt, hatte aber irgendwann keine Zeit mehr dazu. In meinem 2013 eröffneten Café habe ich dann viele interessante Menschen getroffen. Einmal kam jemand mit einer alten Kamera ohne Spiegel und mit alter Linse. Wir begannen, uns über Kameras und die Liebe zur Fotografie zu unterhalten. Daraufhin lernte ich selbstständig Fotografieren, bis mir meine Familie dann zum Geburtstag eine spiegellose Kamera schenkte.
Was ist die Idee hinter deinen Bildern?
Ich wollte etwas anderes machen. Die Idee war, der Welt zu zeigen, wie ich die Stadt höre. Ich habe Hörprobleme und wollte zeigen, dass ich, wenn ich jemandem zuhören möchte, alle Geräusche eliminieren und mich auf eine Stimme konzentrieren muss. Das ist auf den Bildern mit den Verwischungen und Bewegungen dargestellt. In unserer Gesellschaft sehen wir Unterschiede häufig als Grenzen. Dabei sind Grenzen nicht mehr als Möglichkeiten, andere Wege zu finden, die zum gleichen Ziel führen. Mein Projekt heißt „The Sound of Silence“, wie der Song von Disturbed.
Wieso sehen deine Bilder so aus, wie sie aussehen?
Meine Stadt ist eine der kältesten und ältesten in Chile. Jeder nennt sie „grüne Stadt“, aber die Wahrheit ist, dass jeder Tag grau ist. Deshalb sind meine Fotos schwarz-weiß. Die Schwarz-Weiß-Nuancen, die perfekt unvollkommenen Ränder, die die Realität verwischen, und vor allem der zeitliche Kontext jedes einzelnen Fotos sind eine symbolische Interpretation des Moments. Das Projekt ist mein liebstes und wird es auch bleiben.
Was willst du mit deinen Bildern erreichen?
Ich erreiche bereits das, was ich will. Viele Leute mit Hörproblemen schreiben und danken mir, weil sie sich durch mein Projekt repräsentiert fühlen. Außerdem schaffen die Unterschiede, die ich darstelle, Raum für einen der wichtigsten Aspekte des Lebens: die Fähigkeit, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Als Ergebnis davon können wir in einer Welt der freien Entscheidungen leben.