Schluss mit dem Flower-Girl-Image: Ein Vater, seine Tochter und der Kampf gegen das Klischee

„Ach guck mal, das ist aber ein kleines süßes Mädchen. Und das Kleid erst! richtig schön, mit den vielen Blumen.“ – Oooookay. Moment. Wenn wir schon so anfangen, wie sollen sich die kleinen, süßen, hübschen Mädels denn später gesellschaftlich etablieren, eben ohne auf dieses Images und vor allem auf’s Äußere reduziert zu werden.

Ihr denkt jetzt vielleicht: „Nein, auf keinen Fall. Es kommt total auf die inneren Werte an.“ Tja, die Realität sieht oft leider anders aus. Kleine, junge Mädchen sind hübsch, ja auch süß. Aber das ist ja wohl noch lange nicht alles. Der US-Amerikaner, Fotograf und Grafik-Designer Nolan Streitberger machte es sich zur Aufgabe, gegen dieses Mädchen-Image anzukämpfen. Und zwar, in dem er die Entwicklung seiner Tochter in seiner ausdrucksstarken Fotoserie „Long Summer Days“ portraitiert.

Wir haben ihm einige Fragen zu seiner Fotoserie gestellt.

 

ZEITjUNG: Was war die Idee hinter deiner Fotoserie?

Nolan: Dieses Projekt startete als ein Weg, die Entwicklung meiner Tochter Haley zu dokumentieren. Ich bin praktisch mein ganzes Leben schon ein Künstler. Ich studierte Grafikdesign, arbeitete als Designer, war in Kunst-Gruppen und Kunst-Camps auf der Highschool involviert. Ich zeichnete auch, gab mein Studio allerdings auf, als wir Haley bekamen. Fotografie wurde zu einem Weg, um mich weiterhin selbst auszudrücken. Dann kollidierten die beiden Welten, meine Tochter und meine Kunst, miteinander.

 

Was macht ein gutes Foto für dich aus?

Ich liebe Fotos, die Ambiguität in sich tragen. Das Unbekannte und die sich überlappenden Schichten von Metaphern. Ich schätze die Arbeit von Ansel Adams, auch wenn sie mich persönlich nicht auf die Weise anspricht, wie die Arbeit von Sally Mann, Todd Hido oder Niki Boon zum Beispiel. Es gibt viele Fotografen da draußen, aber nicht viele schaffen es, erfolgreich zu sein.

 

Was für ein bestimmtes Image von jungen Mädchen hast du im Kopf oder besser: gegen welches kämpfst du an?

Ich mag Bilder von Mädchen, die Nachdenklichkeit, Intelligenz, Stärke und ein Gefühl von Einfluss darstellen. Ich glaube, als Fotograf und Elternteil muss ich gegen die Stereotype, dass Jungen stark schauen und Haltung zeigen können, während Mädchen in Blumenfeldern stehen und hübsch schauen müssen, ankämpfen. Meine Tochter liebt schöne Kleider und Blumen, aber das Kleid definiert nicht ihre Persönlichkeit. Sie sollte diese Stereotypen nicht erfüllen müssen, auch nicht bei Fotos, in denen sie weiblich und hübsch aussieht. Sie wird bereits mit ihren sieben Jahren mit Bodyshaming konfrontiert, was komplett inakzeptabel ist. Somit versuche ich ihr beizubringen, sie selbst zu sein, von innen heraus.

 

Woher hast du die Ideen für die Posen deiner Tochter? Entscheidet sich auch selbst, wie sie gerne posieren möchte?

Die Posen kommen von ihr. Ich habe darauf sehr wenig Einfluss, außer dass ich mal sage: „Das klappt nicht wirklich. Könntest du etwas anderes probieren?“ An dieser Stelle frage ich sie vielleicht, ob sie ihr Kinn anheben kann, mich anschauen oder ins Weite blicken kann. Aber meistens posiert sie von ganz allein, es scheint etwas ganz Natürliches für sie zu sein. Ich würde sagen, die Hälfte meiner Fotos sind geplante Posen und die andere Hälfte sind spontane Shots.

 

Was ist das Ziel deiner Fotoserie, die Message?

Es geht um die Macht von Mädchen, den Einfluss. Mit den Stereotypen zu brechen, dass junge Mädchen sich hübsch präsentieren müssten, um hübsch zu sein. Ich würde gerne mehr mit diesen Ideen spielen, die Serie weiterführen oder eine ganz neue zu diesem Thema kreieren.

 

Ich habe gelesen, dass ihr einen Geräte-freien Lebensstil für eure Tochter gewählt habt. Was hat euch dazu gebracht und was darf sie nutzen, was nicht?

Meine Frau und ich sprachen bereits vor Haleys Geburt, und auch als sie noch ein Baby war, darüber. Damals verbrachten wir viel Zeit mit der Familie meiner Frau und bemerkten, was Tablets und Videospiele für einen Einfluss auf die Haleys Cousinen hatten. Sie wurden von ihnen abhängig. Sie nutzen jede Chance, um damit zu spielen. Wenn ihnen gesagt wurde, dass sie die Geräte weglegen sollten, waren sie völlig verloren. Sie standen draußen und wussten nicht, was sie mit sich anstellen sollen. Sie hatten keine Ahnung, was Kind-Sein bedeutet und es stach mir ins Herz.

Es fühlte sich an, als würden diese elektronischen Dinge den Kindern die Vorstellung rauben. Als Haley etwas älter wurde, so zwei, drei Jahre alt, ließen wir sie mit den Sachen spielen, damit sie mit ihren Cousinen „mithalten“ konnte. Allerdings stellten wir schnell fest, dass sich etwas in ihrer Persönlichkeit änderte, wenn wir wirklich mal „Nein“ zu ihr sagten. Seither sehen wir diese Seite der Familie nicht mehr, aus mehreren Gründen. Das war ein guter Schritt in die richtige Richtung, damit wir die Eltern sein konnten, die wir sein wollen.

Haley spielt nicht mit Tablets oder Smartphones und spielt keine Videospiele. Wir lassen sie fernsehen, aber das war es auch schon. Wir versuchen sie so zu erziehen, wie wir erzogen wurden. Ich sorgte mich anfangs darum, dass ich ihr etwas vorenthalte, oder sie davon abhalte, etwas über Technik zu lernen. Aber Computer und Tablets werden in der Schule benutzt, also lernt Haley in der Klasse, wie man damit umgeht.