Liebeserklärung an: das Neinsagen

Von Elena Bavandpoori

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

„Ja, also vielleicht.“ „Na ja, mal schauen.“ „Ich werde es mir überlegen.“ – Neinsagen ist in der Theorie einfacher, als in der Umsetzung. Soziale Konventionen und Angst vorm Anecken können uns daran hindern, offen und ehrlich Nein zu sagen. Aber was, wenn der Punkt kommt, an dem wir wirklich gerne Nein sagen möchten, es aber dann nicht können? Ein ernstgemeintes Nein, ein möglicherweise unerwartetes oder sogar unangenehmes Nein – das kann Befreiung bedeuten.

Selbstermächtigung

Mein erstes Wort als Kind war Nein. Vielleicht sagt das etwas über mich als Person aus – ehrlich, direkt, vielleicht zu forsch. Aber man weiß, woran man ist. Trotzdem fällt mir bei Freunden, Familie und in der Arbeit Nein sagen immer wieder schwer. Ich will nicht egoistisch wirken oder jemanden verletzen. Ich habe Angst.

Zur Fähigkeit Nein zu sagen, gehört eine große Portion Mut und Selbstwertgefühl. Warum? Wenn wir wenig von uns selbst halten, machen wir uns von der Anerkennung anderer leicht abhängig, da kommt dir ein „Ja“ schneller über die Lippen. Doch eigentlich sollte es andersrum sein, denn Nein sagen heißt, sich freimachen. Sich freimachen von der Angst abgelehnt zu werden, sich freimachen von gespielter Höflichkeit und sich so selbst zu ermächtigen. Du kannst deinem Bedürfnis nachgehen, ohne dich schuldig zu fühlen. Das ist dein gutes Recht! Also wenn du etwas nicht willst, sprich es aus – das ach so gruselige Nein.
Selbstbewusst Nein sagen, muss allerdings geübt werden. Wir neigen zu unsicheren Formulierung, wie „Vielleicht, also eigentlich…sei mir nicht böse, aber…“ usw. Ich persönlich finde, dass ich mich jedes Mal selbst verrate, wenn ich nicht Klartext rede und wenn ich mir irgendeine Notlüge oder Ausrede ausdenken muss. Also warum nicht zu mir stehen und ehrlich sein? Damit stärke ich mein Selbstbewusstsein und filtere vielleicht Personen raus, die mich nur aufgrund meiner Hilfsbereitschaft um sich haben wollen.

Nicht zwanghaft Konflikte vermeiden

Wir müssen abwägen. Was ist uns wichtiger? Unser Bedürfnis „Nein“ zu sagen oder die soziale Akzeptanz? Manchmal ist das schlechte Gewissen oder der Wunsch nach Anerkennung größer als das Nein.

Aber anstatt sich zu denken „Wenn ich jetzt Nein sage, dann entsteht ein Megadrama und ich bin der Buhmann.“ sollten wir es eher so sehen: „Ich weiß noch nicht, ob mich diese Person ablehnt oder ob jetzt eine Diskussion entsteht. Wenn man mich für mein Bedürfnis bestrafen will, sollte ich den Kontakt zu dieser Person vielleicht überdenken.“ Denn keiner sollte dir böse sein, wenn du gelegentlich mal Nein sagst. Und wenn doch, ist eine Auseinandersetzung vielleicht nötig, um die Fronten zu klären.

Es gibt sehr viele Menschen, die Ja sagen und Nein meinen, weil sie Auseinandersetzung scheuen und Angst vor den Konsequenzen eines Konflikts haben. Das Wort Nein fällt gerade Menschen mit Harmoniebedürfnis schwer, besonders wenn sie negative Konsequenzen erahnen. Aber eigentlich ist doch jeder Mensch ein bisschen egoistisch. Jeder sollte seine Bedürfnisse ausleben dürfen – und dementsprechend auch Neinsagen können.

Lasst uns das Nein normalisieren

Nein sagen sollte etwas Konventionelles sein, es sollte keinen abschrecken oder wundern. Wir wollen natürlich ungern ein Nein hören, wenn wir gerade dringend ein Ja brauchen. Aber wir sollten mit dieser Enttäuschung leben lernen. Ein Nein darf keine Verletzung darstellen. Es sollte aber auch nicht verletzend ausgedrückt werden. Dazu spielt das „Wie“ eine wichtige Rolle. Du darfst ruhig klar sein, aber bitte nicht brutal. Zeig Verständnis, dass andere auch mal einen Gefallen oder Hilfe brauchen. Biete vielleicht ein Gegenangebot, sei humorvoll in deiner Antwort oder begründe das Nein etwas vertiefter. Und wenn du bereit bist, auf einen Teil der Bitte einzugehen, dann reicht auch ein Teil-Nein.

Mehr Zeit für ein Ja

Das Schöne am Neinsagen ist, dass du mehr Zeit für die wichtigen Dinge hast. Denke jetzt nur ein paar Sekunden an die Dinge, die du tun könntest, wenn du nur ein paar Minuten mehr Zeit hättest, indem du Nein sagst. Nämlich ein bisschen mehr Zeit für alles, wozu du Ja sagen möchtest. Ach wie schön es doch mal ist, Nein zu sagen!

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Bildquelle: Unsplash unter CC0-Lizenz