„Wenn ich hungrig bin, sollte man mir lieber aus dem Weg gehen“: Michelle von Treuberg im Interview

 

 

„Sei nicht wie Anika, sei wie Pipi – frech, wild und wunderbar“ – kennt ihr den Spruch? In den Kilderfilmen „Die Wilden Hühner“, basierend auf den Büchern von Cornelia Funke, ist „Sprotte“ die Pipi. Viele von uns wären bestimmt gern einmal wie „Sprotte“ gewesen: Eine Bande anführen, Jungs hassen und dabei gut aussehen. Michelle von Treuberg hat all getan: Sie hat Sprotte über Jahre hinweg verkörpert und ihr in den Filmen ein Gesicht geliehen. Noch heute wird sie den „Sprotte-Stempel“ nicht ganz los. Im Interview sprechen wir darüber, wie sie durch Zufall zur Schauspielerei kam, wie sie die Quarantänezeit bis jetzt gemeistert hat und wie es nach ihrem Studium in Passau nun für sie weiter gehen wird.

Zeitjung: Hi Michelle, stell dich doch mal kurz vor…

Michelle von Treuberg: Hi, ich bin Michelle, 27 Jahre alt und komme aus der Nähe von München. Einige kennen mich vielleicht noch von früher als Sprotte von den Wilde Hühner Filmen.

Wie meisterst du die Quarantäne?

Michelle: Mir geht es je nach Tagesform ganz unterschiedlich. Ich versuche viel in Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden zu bleiben, aktiv zu bleiben und habe mir Dinge vorgenommen, die ich erledigen möchte. Aber es ist definitiv für alle eine ungewöhnliche, herausfordernde Zeit.

Kulturtipps und Lifehacks während Corona?

Michelle: Es gibt jetzt ein tolles Angebot vom Resi in München (Residenztheater München) – dort kann man einen Termin buchen und erhält dann einen Anruf von einem Ensemblemitglied, und es wird einem etwas vorgetragen. Cooles Format, oder? Das zweite ist ein Podcast der Deutschen Filmakademie, der heißt Close up. Das ist für alle interessant, die mehr Insights über das Filmgeschäft aus verschiedenen Perspektiven erhalten wollen. 

Was hat dich im Leben am meisten geprägt?

Michelle: Ich glaube, das war mein erster Drehtag überhaupt – neben Sebastian Koch und Tobias Moretti, als ich elf Jahre alt war. Da war ich natürlich total aufgeregt. Eine Casting Direktorin, Rita Serra-Roll, hatte mich in meinem Reitstall angesprochen ob ich nicht Lust hätte, mal zu dem Casting für den Film „Speer und Er“ zukommen. Ich habe gar nicht groß darüber nachgedacht, bin hingegangen und habe überraschenderweise die Rolle tatsächlich bekommen. Über Rita bin ich dann auch zu den Wilden Hühnern gekommen und erst nachträglich in den Castingprozess eingestiegen. Es folgten einige Runden in verschiedenen Konstellationen bis wir alle final besetzt waren- es wurde zum Beispiel auch mit mir und Lucie Hollmann zwischen den Rollen Frida und Sprotte getauscht. Zusammengefasst würde ich sagen, dass sich meine Schauspielkarriere durch viel Glück, Zufall und vielleicht auch Schicksal ergeben hat.

… Und Talent! Dein höchstes Hoch, dein tiefstes Tief?

Michelle: Das ist schwer zu beantworten, ohne sehr persönlich zu werden. Ich denke mit das höchste Hoch waren schon die Erlebnisse bei den Dreharbeiten zu den Wilden-Hühner-Filmen. Drei Monate über die Sommerferien von 8 bis 20 Uhr durcharbeiten, nach der Arbeit noch den Text für den nächsten Tag lernen und dann wieder zurück in die Schule. Dazu die plötzliche Bekanntheit in der Schule und auf der Straße – damit hatten wir alle glaube ich nicht gerechnet. Viele schreiben mir ja heute noch zu den Filmen, es ist für mich schön zu sehen, dass doch einige einen Teil ihrer Kindheit oder Jugend damit verbinden. Das tiefste Tief war für mich der Verlust meiner Mama, da war ich gerade erst 14 Jahre alt.

Warum Passau, warum Studium?

Michelle: Nach dem Abitur habe ich mir einen lang ersehnten Wunsch erfüllt, ich habe mit einer Freundin eine Weltreise gemacht. Das konnte ich mir glücklicherweise durch die Arbeit am Filmset leisten und ein bisschen Zeit nutzen, bevor ich mich für das Studium entschieden habe. Mein großer Bruder hat mich dann dazu inspiriert nach Passau zu gehen – er hatte dort auch studiert und ich habe ihn oft besucht. Letztendlich habe ich mich für den Studiengang „European Studies“ entschieden wegen der Internationalität. Ich spreche gerne verschiedene Sprachen und bin auch zweisprachig aufgewachsen (mein Papa ist Engländer).

Wie geht es jetzt weiter mit der Schauspielerin in dir?

Michelle: Nach meinem Bachelor 2015 habe ich erst einmal begonnen im HR-Bereich zu arbeiten, auch um mir ein sicheres zweites Standbein aufzubauen. In all der Zeit habe ich aber schon gemerkt, dass mir die Schauspielerei sehr fehlt und beschlossen, dass ich neben einem klassischen Bürojob wieder spielen möchte. Ich bin der Typ Mensch, der lieber auf Nummer sicher geht. Und das wurde mir auch schon bei meinem ersten Film ans Herz gelegt.

Deine persönlichen Wünsche für die Welt?

Michelle: Mein langfristiger Wunsch ist es, nur noch als Schauspielerin zu arbeiten. Ich bin aber ganz realistisch und wünsche mir für Erste einfach, dass ich wieder mehr Projekte machen kann. Gerne würde ich noch einmal historisch drehen, ein paar Jahrhunderte zurück in der Geschichte. Ich liebe es, durch ein Filmprojekt über das Zeitgeschehen zu lernen oder wenn mich ein Film zum Nachrecherchieren anregt. Für mein persönliches Umfeld wünsche ich mir, dass es besonders meiner Familie und meinen Freunden gut geht, das ist für mich sehr wichtig.

Jetzt ist alles erlaubt: Was wolltest du schon immer mal loswerden, doch niemand hörte zu?

Michelle: So böse das auch klingen mag. Wenn ich hungrig bin, sollte man mir lieber aus dem Weg gehen. (lacht)

Gibt es die Wlden Hühner im echten Leben noch?

Michelle: Ja, klar, die gibt es noch! Mit Lucie Hollmann (Frida) bin ich nach wie vor sehr gut befreundet, auch die anderen habe ich immer mal wieder gesehen in den letzten Jahren. Wir wollten auch schon ewig ein Klassentreffen machen, bei dem sich alle wiedersehen. Die meisten sind der Bühne ja auch treu geblieben wie Jeremy Mockridge, Zsà Zsà Inci Bürkle, Sonja Gerhardt oder Vincent Redetzki.



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Fotos: Kim-Lena Sahin