Der „Vertical Forest“ in Mailand – gestapelte Natur

Unter dem Begriff „Nachhaltige Architektur“ stapelt man neuerdings Bäume und andere Pflanzen in der europäischen Metropole Mailand. Ein Ökosystem mitten in der Großstadt – ist das nur eine teure Prestige-Spielerei, die keiner braucht, oder eine sinnvolle Verbesserung des urbanen Lebensraums? Wir gehen der Frage auf den Grund.

Naturräume sind in Städten auf bestimmte Parkanlagen und Naherholungsgebiete im Speckgürtel beschränkt. In urbanen Räumen finden sich Gärten und sogar kleine Wäldchen aber auch auf Hausdächern. Und das gilt nicht nur für die Flachdächer von mehrstöckigen Wohnkomplexen. Welche unterschiedlichen Arten der Dachbegrünung es gibt und wo dabei die Vorteile liegen, erfährt man im Internet zum Beispiel auf bauen.de. Das Architekturprojekt „Vertical Forest“ zeigt einen ganz neuen Weg der innerstädtischen Begrünung auf.

Was vor einigen Jahren nur als 3D-Modell im Computer existierte, nähert sich nun seiner Fertigstellung. Ein Hektar Wald auf vertikal angeordnete Flächen von Hochhäusern verteilt – eine recht spezielle Innenstadtbegrünung. Auf Italienisch nennt sich dieses Projekt „Bosco Verticale“ und auf Deutsch eben einfach „Vertikaler Wald“. Die zwei Gebäude, die nun 80 beziehungsweise 112 Meter in den Mailänder Himmel ragen, werden nach der endgültigen Fertigstellung gemäß des ursprünglichen Gestaltungsplans 480 große und mittlere sowie 250 kleine Bäume, 5.000 Büsche und 11.000 Bodendecker-Pflanzen auf Plattformen an der Außenfassade bergen. Die beiden Wolkenkratzer dürften dann aus der Ferne wie zwei von Pflanzen überwucherte Quader aussehen. Bereits im Mai dieses Jahres waren schon über 9000 Bäume an der Fassade angebracht.

Die Architektur und die Technik sind ebenfalls Paradebeispiele für Nachhaltigkeit. Unter der Leitung des Architekten Stefano Boeri entstand dieses einmalige Projekt als Statement für die Integration von Natur in besonders dicht besiedelten menschlichen Lebensräumen. Das ist einerseits natürlich eine schöne Sache, denn lebendige Natur ist immer schöner als Beton. Andererseits kann man den „Vertical Forest“ auch kritisch betrachten. Man erhält den Eindruck, dass wir in Städten alles derart komprimieren und zusammenraffen, dass für die Natur nur noch Platz ist, wenn man sie der Erde entnimmt und übereinander stapelt.

Bildquelle: Bert Kaufmann unter CC BY 2.0