oktoberfest hausmeister interview

„Man stumpft da ganz schön ab!“ – Ein Gespräch mit einem Wiesn-Hausmeister

Von Susanne Pohl

Das Oktoberfest läuft mittlerweile auf Hochtouren. Während Kellnerinnen, Schausteller und Security-Services dem feierwütigem Gast permanent präsent sind, gibt es einen Beruf, der hier unauffällig, aber unentbehrlich im Hintergrund wirkt. Schuh kaputt, Toilettengulli verstopft, Festzelt-Dach kaputt oder irgendwas aus Versehen im Zelt zerstört? Hier kann vielleicht Max (31, Name geändert) helfen. Er arbeitet seit neun Jahren während der Wiesn als Chef-Hausmeister in einem mittelgroßen Festzelt und sorgt bis zu 16 Stunden am Tag für einen geordneten Ablauf und dass alles da ist, wo es sein soll.

ZEITjUNG: Max, Du bist seit neun Jahren Chef-Hausmeister auf der Wiesn, da musst du doch bestimmt einige abgefahrene Stories erlebt haben.

Max: Mir fällt da eine Geschichte ein. Da ist ein Mädel auf die Personaltoilette gegangen, wo sie gar nicht hindürfte. Die hat ihr Handy in die Toilette fallen lassen und runter gespült. Ich hab einen Funkspruch bekommen – ich soll mal kommen, da gibt’s ein Problem. Dann bin ich da halt hin – und man hat das Handy sogar noch aus der Kloleitung klingeln hören! Aber ich kann da nichts machen! Ich kann nicht die Toilettenleitung aufmachen, nur weil jemand so bescheuert ist, sein Handy in die Toilette zu schmeißen und dann auch noch runter zu spülen. Das tut mir leid.

Also, wenn ich an Hausmeister denke, habe ich ehrlich gesagt nur Klischees im Kopf. Latzhose und Kittel, so Hausmeister Krause Typ. Hast du auch einen grauen Kittel?

Nein! (lacht laut) Ich habe eigentlich immer eine braune Arbeitshose an, meistens mit so Hölzertaschen, wo man einfach Werkzeug und irgendwelche Gegenstände reinsteckt. Werkzeuge, Stifte, was auch immer.

Gibt es denn irgendwelche Parallelen zum normalen Hausmeister, den ich so von Mietwohnungen her kenne?

So ein bisschen schon, so kleinere Reparaturen nehm’ ich jetzt schon vor, wenn ich das kann. Dann mach ich das selbst, ansonsten ruf ich die Handwerker an – das ist also schon das gleiche, was ein Hausmeister sonst auch macht.

Wie läuft denn bei dir auf der Wiesn so ein ganz normaler Arbeitstag ab?

Am Wochenende ist Zelteinlass um 9 Uhr und unter der Woche erst um 10 Uhr. Bis dahin sollte alles in Ordnung sein. Ich komm in der Früh, mach dann erst mal ne Runde und guck, ob irgendwas kaputt gegangen ist. Also, das ist ein mittelgroßes Zelt, da gehen so ungefähr 4000 Menschen ins Zelt und in den Biergarten. Und wenn die Leute da feiern, dann geht einfach jeden Tag irgendwas kaputt. Dann kommt morgens meistens eine Lieferung, wie Putzmittel oder Servietten. Die muss man entgegennehmen und einlagern. Außerdem habe ich dann noch zwei Leute, die Mülltonnen ausleeren. Für die bin ich auch verantwortlich, dass die ihre Arbeit machen.

Was für eine Rolle spielen denn dabei die 4000 Gäste um dich herum?

Ich hab ja eigentlich keinen Gastkontakt. Außer ein Gast kommt jetzt mal zu mir und fragt, kannst du mir mal den Schuh reparieren. Sowas kommt auch vor. Jedes Jahr reparier ich so drei bis vier Paar Schuhe. Das ist ziemlich witzig. Die Sohle geht ab. Da krieg ich auch meistens Trinkgeld dafür. Mach ich aber nur, wenn ich auch Zeit habe.

Hast du Gästen auch so schon bei anderen Sachen helfen müssen?

Jemand hat zum Beispiel mal seinen Schlüssel in den Mülleimer weggeworfen – und das erst ne dreiviertel Stunde später gemerkt. Die Mülleimer werden eben permanent von den Jungs geleert. Und so war der Mülleimer natürlich schon ausgeleert, als der kam. Wir sind dann zur Müllpresse gegangen, haben da wirklich die ganzen Müllsäcke herausgezogen – und den Schlüssel tatsächlich gefunden!

Wie ist denn da so die Stimmung im Team?

Eher witzig. Du kannst es auch einfach nicht alles ernst nehmen. Also, wir sind auch dafür zuständig, wenn irgendjemanden, naja, was aus’m Gesicht fällt. Wir machen das sauber. Es gibt überall an strategisch günstigen Stellen Sägespäne-Eimer, da werden dann Sägespäne gestreut. Wenn es auf’m Tisch ist, kann uns die Bedienung auch holen und wir machen den Tisch sauber und desinfizieren das.

Habt ihr auch untereinander Running Gags?

Ja, haben wir schon. Das sind nicht so richtig Scherze, wir machen uns eher drüber lustig, was wir halt oft so machen! Zum Beispiel den Gulli von irgendeiner Toilette sauber! Weil der Installateur grad nicht kann und das Wasser steht irgendwie in der Toilette. Das ist halt echt ziemlich eklig!

Also, ich hätte nach so einer Gulli-Aktion sicher das Bedürfnis, einen Schnaps zu trinken!

Mach ich dann manchmal auch. (lacht) Eigentlich haben wir das auch erst die letzten ein, zwei Jahre angefangen, da mal nen Schnaps zu trinken.

Naja, da müssen ja auch die passenden Leute im Team mitmachen.

Ja. Und es ist wirklich schwer, das Ganze so zu ertragen, nach der ersten Woche, da fängt man dann auch mal ein bisschen früher an zu trinken. Kommt immer drauf an, was an dem Tag schon alles passiert ist.

Was ist denn vor allem so schwer zu ertragen?

Es sind viele unterschiedliche Dinge, die auf einmal passieren! Immer wieder Funksprüche, „Kannste des machen, kannste da mal was abholen!“ Dazu eben noch der Lärm und die vielen Menschen. Ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass ich ruhig bleiben muss – und nicht in Hektik verfallen. Sonst treten schnell Missverständnisse auf.

Was gefällt dir denn richtig gut an Deiner Arbeit?

Probleme zu lösen. Manchmal kommen Dinge, die dir im ersten Moment unlösbar erscheinen. Und dann machste das und merkst: Es geht doch! Gut! Also, die kleinen Erfolgserlebnisse.

Hast du da ein Beispiel?

Wir hatten mal eine Überschwemmung. Das war ein Biergarten hinter unserem Biergarten. Da haben sich die Schausteller beschwert, es würde hinter unseren Toilettencontainern rauslaufen. Es hat gestunken, es muss Abwasser gewesen sein –  in deren Augen von uns. Und ich war mir sicher, das kann nicht sein. Wir haben das Wasser erstmal abgepumpt. Da war auch Fett im Wasser, da war klar: Das kann nicht von der Toilette kommen. Das war dann auch so. Das kam von so einer Abwasserleitung von einem Stand. Sowas regt einen dann schon auf, wenn die einfach nicht ihren Schlauch ordentlich zusammengesteckt haben.

Wenn du das alles so erzählst, dann klingt das schon so, als musst du gut improvisieren können.

Es ist manchmal schon so ein bisschen MacGyver mäßig! Dann regnets irgendwo rein und dann muss man vielleicht schnell Müllsäcke ins Dach rein hängen. – Sowas mag ich eben auch sehr gerne, da zu improvisieren mit irgendwelchen Problemen, wo man am Anfang manchmal auch denkt: Kann man das? Das geht doch gar nicht, da gibt’s keine Lösung! Und das dann doch eben zu lösen. Es ist halt alles in meinem Job einfach keine straighte Schiene. Ich persönlich würde meinen Job eher „Schadensbegrenzer“ oder sowas nennen.

Hast Du eigentlich in einem Streit schon mal selbst eine rüber bekommen? Ich mein, grad auf der Wiesn sind ja viele komplett alkoholisiert und unkontrolliert.

Max: Zweimal sogar. Manchmal ist es damit getan, dass man Sachen einfach ignoriert. Das eine Mal ist mir die ganze Zeit einer hinterher in die Hacken getreten, das fand ich jetzt nicht so schlimm. Das andere Mal hat jemand an unseren Eingang gepinkelt. Ich fragte ihn dann, ob er nicht weggehen kann, wir würden hier arbeiten. Der hat sich dann aufgeregt. Ich glaube, wir haben damals die Tür so aufgemacht, dass wir ihn ein bisschen geschubst haben. Er hat dann von der anderen Seite gegen den Zaun getreten, der zwischen uns war und mich am Kopf getroffen. Also mir ist es dann so etwas durchgegangen, ich wollte dann raus, ihm eine reinhauen und zum Glück hat mich dann ein Kollege zurückgehalten.

Als Mädel zu späterer Uhrzeit auf der Wiesn manchmal auch unangenehm mit den alkoholisierten Leuten. Kriegst du da eigentlich auch was mit bezüglich sexueller Belästigung?

Da kommt schon immer wieder was vor! Das ist schwierig mit betrunkenen Leuten. Ich arbeite ja immer auf solchen Veranstaltungen und hab häufig mit betrunkenen Leuten zu tun, aber es ist leider nicht immer so klar ersichtlich, was da los ist.

Klingt schon so, als brauchst du ein dickes Fell. Hat sich deine Einstellung zu Menschen eigentlich insgesamt durch deinen Job verändert?

Es ist so, dass mich eigentlich gar nichts mehr wundert. Ich bin nicht mehr so erstaunt, wenn etwas Außergewöhnliches passiert! Ich habe einfach schon sehr viele Sachen gesehen. Also, wenn ich so drüber nachdenke: Ich glaube, man stumpft auch ganz schön dabei ab.

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: shlomp-a-plompa unter cc-by-sa 2.0