Studium Sinnkrise was mache ich hier

Sinnkrise im Studium: Was mache ich hier überhaupt?

Sonntag, 13.30 Uhr in einer Unibibliothek in Norddeutschland: Ich sitze über drei soziologischen Büchern und frage mich, wofür das alles gut sein soll. Alles begann damit, dass ich fünf Minuten Facebook-Pause vom Hausarbeiten schreiben machen wollte. Ein Tasty-Video und drei Spiegel-Online Artikel später bin ich kurz davor, mein Studium abzubrechen. Ich sollte die Branche wechseln, denke ich mir, nochmal von vorne anfangen, vielleicht lieber eine Ausbildung machen oder einfach ein Jahr lang reisen gehen. Auf jeden Fall aufhören mit dem, was ich tue. Der Weg, den ich bis jetzt gegangen bin, der mir vorkam wie stairway to heaven, scheint doch mehr der highway to hell zu sein. Schnell weg hier! Das, was ich tue, hilft doch keinem, weder mir selbst, noch anderen. Klar, ich würde sicher einen Job finden mit dem, was ich bis jetzt gemacht habe. Aber was habe ich davon? Gute Frage – keine Antwort.

 

Die Sinnkrise kommt schon während des Studiums

 

So oder so ähnlich hat sich wahrscheinlich jeder Mensch Anfang 20 schon mal gefühlt. Denn die Generation Y wartet mit der mittelschweren Existenzkrise nicht mehr bis zum 50. Geburtstag. Nein, uns ereilt die Panik schon während der Ausbildung. Einen genaueren Zeitpunkt gibt es jedoch nicht. Simone Buchholz, psychologische Beraterin des Studentenwerks Ostniedersachsen sagt dazu, dass die Sinnkrise zu jedem Zeitpunkt im Studium auftreten könne. „Zu Studienbeginn stellen neue Studierende fest, dass es gar nicht so ist, wie sie es sich vorgestellt haben. Hinzukommt, dass sie gerade zu Hause ausgezogen sind und zum ersten Mal in der Situation sind, so viele eigene Entscheidungen treffen zu müssen.“ Davon seien sie mitunter überfordert. Aber auch nach einigen Semestern ist niemand vor der Sinnkrise sicher. Der Sinn, den man der Ausbildung ursprünglich zugeschrieben hat, könne sich verändert haben. „Gerade, wenn es um Schwerpunktsetzung im Studium geht, treten Zweifel auf“, so die Diplom-Pädagogin. Besonders bei Studiengängen, bei denen kein klares Berufsziel vorgegeben ist, könne das der Fall sein. Wer während des ganzen Studiums noch mit seiner Wahl zufrieden war, den kann es noch kurz vor Schluss überkommen: „Die Studierenden wissen dann nicht, was sie nach dem Studium erwartet und fragen sich, ob das eigentlich Hand und Fuß hatte, was sie die ganze Zeit über gemacht haben.“

 

Machen wir uns zu viele Gedanken?

 

Ich bin also immerhin nicht die Einzige, die sich nach vier Semestern und zwei Praktika fragt, warum ich mir das eigentlich alles gebe. Im Gegenteil: „Es ist normal, den Sinn des Studiums oder auch des Lebens in Frage zu stellen, sich auch mit der Gesellschaft oder Leben und Tod auseinanderzusetzen.“, meint Buchholz. Diese Sinnfragen umfassten manchmal auch die Studienwahl. Hinzu komme, dass man sich während des Studiums sehr stark persönlich weiterentwickle.

Wenn wir unsere Wahl in Frage stellen, muss es also gar nicht zwangsläufig um den Studiengang gehen. Vielleicht machen wir uns allgemein einfach gerade viele Gedanken zu uns selbst und unserer Umwelt. Laut Buchholz sollten wir aber jeden Zweifel ernst nehmen und gucken, wo dieser herkommt. Dazu fragt sie in der Beratung, wie die ursprüngliche Entscheidung zu Stande gekommen ist, welche anderen Faktoren noch Einfluss auf die Entscheidung hatten und was für einen selbst überhaupt ausschlaggebend ist, wenn man Entscheidungen treffen muss.

 

Studienberatung kann helfen

 

So kann man erstmal herausfinden, ob man das Studium nur angefangen hat, um seinen Eltern einen Gefallen zu tun und deswegen jetzt unglücklich ist – oder ob man sich seit der richtigen Entscheidung einfach so viel weiter entwickelt hat, dass man jetzt etwas ganz anderes möchte. In allen Fällen gilt: Man kann sich Hilfe holen. Laut Buchholz kann man sich an die Studienberatung oder die psychologische Beratung wenden. Beide gibt es an jedem Uni-Standort. Wer sich einen Überblick verschaffen will, welche Studiengänge in Frage kommen, wendet sich an die Studienberatung. Wer außerdem rausfinden will, welche persönlichen Wurzeln die aktuelle Krise hat, kann kostenlos die psychologische Beratung in Anspruch nehmen.

Vor allem sei laut der Beraterin aber wichtig, sich Zeit zu nehmen. Aus Angst vor Lücken im Lebenslauf würden heute viele Studierende zögern, sich mal ein paar Monate zur Entscheidungsfindung zu nehmen. „Der Druck hinter so einer Entscheidung kann aber weniger werden, wenn man sich Zeit nimmt.“

Falls du also auch mal in der Bib sitzt und kurz davor bist, mit musicalartiger Dramatik alle deine Bücher vom Tisch zu fegen, weil du nur noch auswandern willst: Mach dir bewusst, dass das normal ist und nimm dir Zeit.