Entscheidung treffen

Organspende: Soll ich oder soll ich nicht?

 

 

Eine Denkpause: Was wir noch über die Organspende wissen wollten

 

Jede einzelne dieser Fragen und Ängste ist berechtigt. Wichtig ist am Ende nur, tatsächlich nach Antworten zu suchen. Die liefert zum Beispiel die BZgA. Der Hirntod „ist nach weltweit anerkanntem naturwissenschaftlich-medizinischem Erkenntnisstand ein sicheres Todeszeichen des Menschen. Denn mit dem Ausfall der Gesamtfunktion des Gehirns ist die leiblich-seelische/körperlich-geistige/physisch-metaphysische Einheit unwiederbringlich beendet, die jeder Mensch darstellt“. Man empfindet dann auch keine Schmerzen mehr. Die Diagnose selbst muss nach deutschem Gesetz von zwei unabhängigen Ärzten getroffen werden.

Von der Spende ausgeschlossen sind Menschen mit akuter Krebserkrankung oder HIV. Eine Altersbeschränkung gibt es aber nicht. Entscheidend sind vielmehr das biologische Alter und der Zustand der Organe. „Dabei muss niemand fürchten, sich endgültig festzulegen. Wer die eigene Einstellung zur Organ- und Gewebespende ändert, muss lediglich die alte Erklärung vernichten. Auf einem neuen Ausweis kann die geänderte Einstellung festgehalten werden“, betont die BZgA. Zum Ausfüllen des Ausweises muss man sich außerdem nicht ärztlich untersuchen lassen. Geld gibt es allerdings auch nicht. Die Organspende ist freiwillig. Der Ausweis ganz leicht im Internet herunterzuladen. Und „nein“ ein ebenso legitimes Kreuzchen wie „ja“.

 

Und Aiman O.? Auf Anfrage von ZEITjUNG betont das Bundesgesundheitsministerium, dass die Transplantationszentren seit Bekanntwerden der Manipulationen im Jahr 2012 engmaschiger kontrolliert werden. Entscheidungen über die Aufnahme auf die Warteliste würden von Konferenzen mit mindestens drei beteiligten Medizinern getroffen. Seit 2013 gilt die Manipulation von Patientendaten außerdem als Straftatbestand – ein Jahr zu spät für Aiman O.

 

Die Pro-Seite oder: Scheiß auf Aiman O., ich rette ein Leben!

 

Während sich auf unserer Kontra-Seite also Angst und Aiman O. breitmachen, stehen auf der gegenüberliegenden Seite Geschichten wie die von Paul*. Mit einer Stammzellenspende rettete der 25-Jährige ein Leben. „Als eine Arbeitskollegin für einen an Leukämie erkrankten Bekannten einen passenden Stammzellenspender suchte, habe ich mich typisieren lassen“, erzählt er ZEITjUNG. „Leider kam ich als Spender nicht in Frage.“ Ein halbes Jahr ist das her, als sich die Deutsche Knochenmarkspenderdatei erneut bei Paul meldet. Auch nach der Typisierung blieb er in der Kartei.

„Man sagte mir, ich wäre ein geeigneter Spender für einen Patienten aus Spanien. Ein kleines Mädchen zwischen 11 und 13 Jahren, wie ich später erfuhr.“ Also überlegte Paul nicht lange und spendete. Die Nebenwirkungen und den zeitlichen Aufwand der Prozedur nahm er dafür gerne in Kauf. „Man hat im Hinterkopf, dass man Leben retten kann. Da ist man bereit, auch ein Eigenrisiko einzugehen“, sagt er. Tatsächlich rettet er dem kleinen Mädchen damals das Leben. Es sei durchgekommen und habe die Spende gut angekommen, erzählt man ihm. Das ist das letzte, was Paul hört. Kontakt mit dem Mädchen möchte er nicht: „Aber ich würde den Schritt jederzeit wieder tun.“

Einen Organspendeausweis hat Paul auch. Als Motorradfahrer habe er ihn immer bei sich – schließlich bestünde da ein gewisses Risiko. Als wir Paul auf Aiman O. und zweifelhafte Hirntoddiagnosen ansprechen, fragt er: „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ärzte ihre Verantwortung missachten?“ In seinen Augen würde die Medienberichterstattung Ereignisse wie diese zu sehr pushen. Es seien Einzelfälle, die uns nicht zu sehr beunruhigen müssten. Dann fügt er hinzu: „Klar ist das schlimm, wenn an Transplantationslisten herumgepfuscht wird. Aber mir ist es am Ende wurscht, wer überlebt. Hauptsache irgendjemand.“