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Breaking News: Menschen sind immer noch Arschlöcher

Folter ist an und für sich innerhalb einer freien Gesellschaft sehr geächtet. Das beweist auch die Antifolterkonvention, die von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde und 1987 in Kraft getreten ist. Seitdem werden jegliche Verstöße gegen die Konvention in der Öffentlichkeit scharf kritisiert. Man denke nur an die Enthüllungen zu Guantanamo oder Abu-Ghuraib oder an die Skandale in den Bundeswehrkasernen. Oft stellt man sich dann auch die Frage: Wie sind Menschen nur zu so etwas fähig? Die Antwort darauf ist leider so banal wie erschütternd: Es ist sozialpsychologisch erklärbar.
 

Ein Versuch sorgt für Aufsehen

 

Als Paradebeispiel dient das Milgram-Experiment aus dem Jahr 1961, das international für Aufsehen gesorgt hat. Namensgebend für diesen Versuch war der US-amerikanische Psychologe Stanley Milgram: Seine Probanden sollten unter der Aufsicht eines Studienleiters anderen Menschen Elektroschocks verpassen, sobald diese eine beliebige Aufgabe falsch gelöst hatten. Die Volt-Zahl würde dabei bei jedem Fehler steigen, gleichzeitig konnten die Teilnehmer des Experiments den Versuch jederzeit abbrechen.

Was den Versuchspersonen vorenthalten wurde: Die Bestraften waren Schauspieler und haben tatsächlich keine Stromschläge abbekommen. Das wäre sonst unter Umständen tödlich ausgegangen, denn die Probanden teilten am Ende Stromstöße von bis zu 450 Volt aus. Die schockierendste Erkenntnis dieser Studie war, dass sich die Teilnehmer den Anforderungen des Versuchsleiters voll und ganz unterworfen haben, ohne dass Zweifel an dem Experiment aufkommen würden. Über 50 Jahre nach dem aufsehenerregenden Milgram-Experiment stellt sich die Frage: Wären Menschen auch heute noch dazu bereit, Schmerzen auf Befehl hinzuzufügen?
 

Elektrischer Stuhl reloaded

 

Eine neue Studie der SWPS University of Social Sciences and Humanities in Polen liefert die erschreckende Antwort: Ja. Das Milgram-Experiment wurde neu durchgeführt, mit gemischten Teilnehmern im Alter von 18 bis 89 Jahren. Diesmal aber nicht mit tödlichen Stromstößen bis zu 450 Volt, sondern mit einer Grenze von 150 Volt, die man dem Gegenüber zufügen konnte. Im Anschluss an den neu aufgesetzten Versuch suchten die Probanden außerdem das Gespräch mit einem Psychologen, um Inhalt und Ziel des Experiments zu analysieren.

Auch hier gab es wieder die Möglichkeit, die Studie abzubrechen. Das wurde den Versuchspersonen aber ziemlich schwer gemacht, der Studienleiter nahm wieder eine sehr autoritäre Rolle ein und ermutigte stets zum Weitermachen; je zögerlicher der Proband, desto größer der Nachdruck. Das Ergebnis der neu aufgesetzten Versuchsreihe war wieder erschreckend: 72 von 80 Teilnehmern gingen bis zur höchsten Stromstufe, nur 8 Personen brachen vorzeitig ab. Die „Gefolterten“ waren in diesem Fall wieder nur eingeweihte Schauspieler – aber nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die elektrischen Schläge real gewesen wären.
 

Ich Chef, du folterst

 

So krass diese Forschungen auch sein mögen, sie liefern vor allem psychologisch wertvolle Rückschlüsse, mit denen sich das Verhalten der Teilnehmer erklären lässt: Der Studienleiter strahlte dabei immer eine ausgesprochen große Autorität aus, die Versuchspersonen vertrauten seinen Anweisungen, ganz nach der Devise: Er wird schon wissen, was er da macht! Darüber hinaus konnten sich die Teilnehmer langsam an die Stärke der Stromstöße rantasten, womit die Hemmschwelle bis zur obersten Stromstärke kontinuierlich gesenkt wurde. Die erschütternden Beispiele von Guantanamo oder Abu-Ghuraib, als US-Soldaten hilflose Gefangene schlimmstmöglich quälten, belegen gewissermaßen auch die Studienergebnisse: Menschen sind nach wie vor in der Lage, andere Menschen auf Befehl von oben zu foltern, ohne ihre Taten zu hinterfragen.

 

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Titelbild: pixabay unter CC0 Lizenz