Sex und Soda: Jagt nicht nach Orgasmen!

In dieser Kolumne schreibt Mila Bach über die prickelnden und weniger prickelnden Momente im Leben. Diesmal geht es um die Jagd nach Orgasmen.

Mein Orgasmus und ich haben seit Jahren eine sehr gute Beziehung zueinander. Als ich meinen ersten Höhepunkt erleben durfte, war ich noch ein Kind und wusste gar nicht, was dieses tolle warme Gefühl überhaupt ist. Ich wusste nur eins: Das muss ich unbedingt nochmal erleben! Ich hatte schnell raus, wie ich kommen kann. Das war förderlich für mein späteres Sexleben, vor allem wenn ich höre, dass manche Frauen mit Mitte Zwanzig immer noch keinen Orgasmus hatten. Ich frage mich: wie geht das? Bei mir ist das aus Versehen auf dem Fahrrad passiert, kein Scherz. 

Orgasmus als Erfolgsrezept

Als ich dann von Solosex zu Sex mit einem Partner wechselte, fiel mir auf, dass der Orgasmus nicht nur ein einzigartiger Genuss ist, sondern auch ein Messgrad für gelungenen Sex. Denn irgendwann merkte mein Freund natürlich, dass ich nicht komme. Aber in Pornos kommt die Frau doch immer, also führte das bei meinem Freund ziemlich schnell zu einem unangenehmen Frustrationslevel. Schlussfolgerung eines verunsicherten Teenagermädchens: Orgasmus vortäuschen. Ich empfand das nie als besonders schlimm, denn teilweise mischte sich sogar ein echter unter die Plagiate. Trotzdem war in den ersten Jahren meiner Sexkarriere in meinem Kopf fest verankert: Du musst kommen, damit der Sex für beide als erfolgreich abgeschlossen gilt. Klingt wie ein Uniabschluss. Dabei ist unser Leben doch schon voll von Leistungsdruck. Zum Beispiel mit guten Noten, Ehrgeiz in der Arbeit, Erreichbarkeit für Freunde und Familie, Sport machen oder gesunder Ernährung. Und dann soll man auch noch eine Orgasmus-Maschine sein? Nein, da spiel ich nicht mit.

Der Weg ist das Ziel

Bei den darauffolgenden Beziehungen spielte ich den Orgasmus nicht mehr vor, sondern sagte ganz klar, wie ich zum Höhepunkt kommen kann. Das habe ich ja schon früh an mir selbst geübt. Und siehe da: Die Orgasmen kamen viel schneller und ganz ohne Druck. Und wenn ich mal nicht komme, dann ist das kein Drama. Denn der kitschige Satz „der Weg ist das Ziel“ trifft beim Sex ins Schwarze. Wenn ich einen unfassbar leckeren Eisbecher vor mir habe, dann ist nicht mein Ziel, satt zu werden. Nein, ich möchte jeden Bissen genießen, die Süße und die Kälte auf meiner Zunge zergehen lassen und den Genuss am liebsten herauszögern. Wenn ich danach auch noch satt werde, bin ich wunschlos glücklich. Der Orgasmus ist nicht der heilige Gral, den man mit Druck aus seinem Versteck locken muss. Und schon gar nicht sollte er einer Hetzjagd zum Opfer fallen, die meistens ein frustriertes Ende zur Folge hat. Wie bei fast allem im Leben kann man sich auch hier entspannt zurücklehnen und sich erfreuen, wenn er von ganz alleine kommt.

Huch, so kann ich auch kommen?

Es gibt jedoch eine Situation, in der ich selbst zur Jägerin wurde. Durch Zufall brachte mich ein Mann zu meinem ersten vaginalen Orgasmus. Geflasht von dem neuen Erlebnis, fühlte ich mich wie das Kind, dass auf dem Fahrrad von seinem ersten Orgasmus überrascht wurde. Ich war angefixt. Also recherchierte ich wie wild und fand heraus, dass man sich den vaginalen Orgasmus selbst beibringen kann. Ich bestellte Bücher und einen G-Punkt- Vibrator und nahm mir an einem Wochenende nur Zeit für mich. Und ich wurde zur freiwilligen Orgasmus-Jägerin. Nach ein paar frustrierenden Berg- und Talfahrten hatte ich es endlich geschafft. Mein erster von mir verursachter vaginaler Orgasmus! Ich fühlte mich wie ein Pokémon, das eine neue Attacke gelernt hatte und war mächtig stolz. Ich kann diese neue „Fähigkeit“ nämlich jetzt in mein Sexleben integrieren und auch beim penetrativen Sex zum Höhepunkt kommen. Vorausgesetzt der Mann, die Bewegungen und mein Mindset passen. Das Jagen kann sich in manchen Fällen also absolut lohnen!

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Bildquelle: Unsplash; CCO-Lizenz