Die Stadt Belgrad in Serbien

Storytime: Um Geld betteln in Serbien

Am nächsten Morgen war der Hunger seltsamerweise verflogen, weshalb wir zunächst bis um 11 Uhr im Bett blieben, um uns von den Strapazen des vorherigen Tages zu erholen. Gegen Mittag machten wir uns schließlich auf den Weg, die Stadt zu erkunden und eine vernünftige Mahlzeit zu uns zu nehmen. Glücklicherweise hatten nun auch alle Geschäfte wieder geöffnet, weshalb wir direkt auf den nächsten Bankautomaten zusteuerten. Doch Geld abheben? Fehlanzeige. Genauso erging es uns beim zweiten, dritten und vierten Automaten. Wir hatten einen weiteren wichtigen Punkt übersehen, und zwar, dass wir mit unseren normalen Girokarten außerhalb der EU kein Geld abheben konnten – nicht einmal gegen Gebühr. In den Wechselstuben konnte man nur Scheine eintauschen: Auch dort kamen wir mit unseren drei Euro nicht gerade weit. Ja, man hätte sich vorher um eine Kreditkarte kümmern, den Reiseführer Seite für Seite studieren und allgemein etwas vorbereiteter an die Sache herangehen können – aber eigentlich macht genau diese Spontanität ja den Charme einer Interrail-Reise aus. Jetzt saßen wir allerdings auf dem Trockenen und wussten nicht, wie wir aus dieser misslichen Lage herauskommen sollten. Wir hatten eine weitere Nacht in unserer Unterkunft gebucht und wollten die Stadt eigentlich erst am kommenden Nachmittag verlassen – doch ohne jegliches Essen würden wir diese 24 Stunden nicht überstehen.

Als uns endgültig klar wurde, dass wir auf normalem Wege nicht an Geld kommen würden, begannen die Überlegungen: Man könnte am Straßenrand singen, irgendwo etwas klauen oder ganz einfach seinen Körper verkaufen. Natürlich war keiner dieser Vorschläge ernst gemeint, einen besseren Einfall hatten wir jedoch auch nicht. Schließlich kam mein Freund auf die Idee, dass es in Belgrad eigentlich eine deutsche Botschaft geben müsse, die den Bürger*innen ja bekanntlich mit Rat und Tat zur Seite steht. Auf Google Maps fanden wir die Adresse und machten uns sofort auf den Weg zur Auslandsvertretung. Die Hemmschwelle, unser Problem mit den Angestellten zu besprechen und sie nach einem Geldwechsel zu fragen, war immer noch ziemlich hoch, unser Hunger und unsere Erschöpfung mittlerweile allerdings größer. Tatsächlich hatte ich mich vorher selten so ausgelaugt und antriebslos gefühlt – die 1,3 Kilometer bis zum Ziel kamen mir eher vor wie zehn. An der Botschaft angekommen, fragten wir am Schalter nach Hilfe und konnten wenige Minuten später mit einer jungen, freundlichen Frau sprechen, die uns versicherte, eine Lösung finden zu können. Eine Weile warteten wir vor dem Tor, bis die Mitarbeiterin schießlich mit einigen Scheinen zurückkehrte – sie hatte ihre Kolleg*innen um Unterstützung gebeten, wodurch letzen Endes sogar deutlich mehr Geld zusammenkam, als wir je in einer Wechselstube erhalten hätten.

Unendlich dankbar, aber dennoch peinlich berührt spazierten wir zum gegenüberliegenden Supermarkt und kauften uns Äpfel und einen ganzen Laib Brot, was wir innerhalb von zehn Minuten verschlungen. So gut hatte ein so langweiliges Essen noch nie geschmeckt – endlich hatten wir wieder neue Kraft und konnten den letzten halben Tag in vollen Zügen genießen. Unsere Reiseplanung hatte sich kurzfristig ebenfalls geändert: Eigentlich wären wir nach Mazedonien an den Ohridsee gefahren – ebenfalls ein Nicht-EU-Land, in dem wir vor demselben Problem gestanden hätten. Stattdessen ging es nun in die bulgarische Hauptstadt Sofia – ein schönes Fleckchen Erde, das wir sonst vermutlich nicht besucht hätten. Die Moral von der Geschicht‘: Gut informieren lohnt sich zwar, die spannendsten Storys erlebt man allerdings, wenn man die Dinge einfach mal auf sich zukommen lässt.

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Bildquelle: Alex Blokstra on Unsplash; CC0-Lizenz