True crime

True Crime: Warum Frauen fasziniert sind und Männer umschalten

„Mordlust“ haucht es mal wieder durch die Lautsprecher meines Autos. Es ist bereits dunkel, und wie üblich begebe ich mich mit schauriger Begleitung im Ohr auf den Heimweg. Aber warum sind besonders Frauen so fasziniert von True Crime? Und wie perfide ist es, wenn der persönliche Albtraum anderer Menschen uns auf dem Heimweg Unterhaltung bietet?

Disclaimer: Der Artikel basiert unter anderem auf den Erfahrungen unserer Autorin.

264 Menschen wurden im Jahr 2022 in Deutschland gewaltsam aus dem Leben gerissen, eine Zahl, hinter der sich schreckliche Schicksale verbergen. Jedoch scheint Deutschland mit einer Mordrate von 0,3 Fällen auf 100.000 Einwohner*innen im internationalen Vergleich relativ sicher zu sein. Ist der Schein einer sicheren Umgebung der Grund, warum wir uns gerne mit dem Verbrechen beschäftigen? Um sie mit genügend Abstand verstehen zu lernen? Oder warten wir, wie bei einer Apokalypse, auf das unvorhersehbare Ende und wollen bestens darauf vorbereitet sein? Klar ist: Echte Verbrechen faszinieren nicht nur mich. Schließlich verzeichnet der Podcast „Mordlust“ bis zu 4 Millionen Downloads im Monat.

True Crime als Probe für den Ernstfall?

Dass True-Crime-Podcasts besonders bei Frauen gut ankommen, zeigt eine Befragung. Ein Viertel der Frauen hört gerne bei wahren Verbrechen zu, bei den Männern hingegen schnitt das Gruselvergnügen am schlechtesten ab. Anders als bei den meisten Podcasts sind also die Hörerinnen und Hörer nicht homogen verteilt, sondern die Frauen stellen eine klare Mehrheit dar. Bei „Mord auf Ex“ sind sogar 80% der Hörer*innen weiblich. Ebenso fällt auf, dass die beliebten True-Crime-Podcasts von Frauenduos dominiert werden. Aber warum interessieren sich gerade Frauen für diese abscheulichen Taten?

Innerhalb einer Studie, die im Jahr 2018 im Journal of Radio & Audio Media erschien, ergeben sich drei wesentliche Motivationsfaktoren: Eskapismus, Voyeurismus und soziale Interaktion. Wir haben also das Gefühl, eine Mischung aus Unterhaltung und Nachrichten zu konsumieren. Dabei erhalten wir einen ungewöhnlichen Einblick in die Köpfe von Täter*innen. Durch diesen Konsum können wir Theorien aufstellen, spannende Gespräche führen und mehr über unser persönliches Rechtsempfinden lernen. Innerhalb einer weiteren Studie gehen die Forschenden davon aus, dass Frauen True Crime konsumieren, um sich im Ernstfall besser vorbereitet zu fühlen. Denn tatsächlich verspüren Frauen ein beklemmendes Gefühl, während sie den Geschichten von Mördern und Psychopathen lauschen, jedoch überwiegt die Neugierde auf das Ende.

True Crime, aber bitte respektvoll

Ich höre den schrecklichen Geschichten zu, vergesse meinen Alltag und womöglich auch, dass diese Geschichten für andere Menschen nicht einfach nur abendliche Unterhaltung auf dem Heimweg sind. Während das Ende der letzten Folge im Lautsprecher verpufft, frage ich mich, was uns an solch abscheulichen Taten am Ende wirklich fasziniert. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus den genannten Faktoren. True Crime erzählt keine namenlosen Geschichten, sondern berichtet von Menschen, die genau wie du und ich gelebt, geliebt und gelacht haben, bevor sie auf grausame Weise aus dem Leben gerissen wurden. Das sollten wir bei der Wahl des Podcasts bedenken, bevor wir in die True-Crime-Welt eintauchen.

Folge ZEITjUNG auf FacebookTikTok und Instagram!
Bildquelle: cottonbro studio via Pexels; CC0-Lizenz