Wann wird der Fahrradhelm endlich cool?

„Looks like shit. But saves my life.“ – Nach der (völlig zurecht) wegen Sexismus kritisierten, aber dadurch zumindest relevanten Kampagne des Verkehrsministeriums, ist er wieder mal im Gespräch: der Fahrradhelm. Dieses Mal vielleicht nicht ganz so provokant – also ohne halbnackte Models und schmissige Werbeslogans. Stattdessen mit der ernst gemeinten Frage: Warum sind wir nicht bereit, einen Fahrradhelm zu tragen und rechtfertigen es diese Gründe, eine schwere Kopfverletzung zu riskieren? 

In Deutschland gilt, wie wir wissen, keine Pflicht, sondern nur die Empfehlung, einen Fahrradhelm zu tragen. 2018 haben sich laut einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen nur 18% aller Menschen in Deutschland an diese Empfehlung gehalten. Am häufigsten haben Kinder bis 10 Jahre einen Helm getragen, am seltensten Erwachsene zwischen 17 und 30 Jahren. Zu den 92% dieser Altersgruppe, die ohne Kopfschutz unterwegs waren, gehöre übrigens ich. Wie ich das begründe? Naja, weil ein Fahrradhelm blöd aussieht, die Frisur zerstört, unpraktisch zum Mitnehmen ist und weil man einfach nicht daran denkt, sich einen zu kaufen, weil ja sonst auch niemand damit rumfährt. 

Ist das nicht irgendwie eine seltsame Argumentation, wenn man bedenkt, dass der Helm bei einem Unfall potenziell das eigene Leben rettet? Das sagen übrigens nicht nur Andi Scheuer und seine Unterwäschemodels. Ein Expertenteam der Unfallchirurgie führte eine Studie mit 2817 Fällen schwerverletzter Fahrradfahrer*innen durch. Das Ergebnis zeigt, dass Kopf- und Nackenverletzungen mit Abstand am häufigsten zu einer Einstufung des*der Patient*in als „schwerverletzt“ geführt haben. Bei einem Fünftel aller Patient*innen war die einzige Verletzung ein schweres Schädel-Hirn-Trauma – das mit einem Helm wahrscheinlich hätte verhindert werden können. 

Warum gibt es also keine Helmpflicht? Das wäre dann wie mit den Masken. Anfangs wurde man blöd angeschaut, weil man der*die Einzige war, der*die eine aufhatte. Inzwischen wird man blöd angeschaut, weil man heraussticht, wenn man keine aufhat. Wenn es aber eine Helmpflicht gäbe, würden vielleicht weniger Menschen überhaupt Fahrradfahren. Weil die dann, wegen der schon genannten Argumente, lieber das unkompliziertere Auto wählen – was nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern wiederum schlecht für die Sicherheit der anderen Fahrradfahrer wäre. Also doch lieber Empfehlung statt Pflicht.

Vielleicht kann man Helm tragen ja auch freiwillig cool machen – ist es ja bei Bikern auch. Statt vom Motorrad schwingen wir uns eben geschmeidig vom Fahrrad, während wir den Helm abnehmen, den Kopf in Zeitlupe schütteln und uns mit den Fingern durch die Haare fahren. Im Büro stellen wir unser Lifestyleprodukt dann auf den Schreibtisch, damit auch alle wissen, wie wir hergekommen sind. Ein Symbol für Fitness und Umweltbewusstsein – das neue Cool. Die Kolleg*innen werden Schlange stehen!

Wie immer gibt’s aber auch einen Haken an der Sache: Eine weitere Studie zeigt, dass Menschen, die Helm tragen, risikoreicher Fahrradfahren, weil sie sich mit Helm sicherer fühlen. Die Studie basiert allerdings auf einer Computer-Simulation. Wer weiß schon, ob man sich im echten Straßenverkehr genauso verhalten würde? Natürlich ist der Fahrradhelm kein Allheilmittel, der das Fahrradfahren um 100% sicherer macht und Unfälle verhindert. Aber ist ein kleines bisschen mehr Sicherheit nicht besser als gar keine? Wiegt nicht die größere Chance auf Überleben mehr als Eitelkeit und Faulheit?

Irgendwie ist doch kein Argument gegen den Fahrradhelm so richtig überzeugend. Schon klar, man kann auch nicht eindeutig wissenschaftlich beweisen, dass es mit Fahrradhelm zu weniger schweren Unfällen kommen würde. Besser ausgebaute Fahrradwege und mehr Rücksicht im Straßenverkehr würden da sicherlich mehr helfen. Da ich diese beiden Probleme aber nicht eigenhändig lösen kann, kaufe ich mir erst Mal einen Fahrradhelm.

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Bildquelle: Unsplash; CCO-Lizenz