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Wie konnte Trump gewinnen? Ein Erklärungsversuch

Schock. Verwirrung. Apokalypse. 2016 – das Jahr politischer Selbstzerstörung, das Jahr des Populismus. Es gibt unzählige Fragen, die sich aus diesem demokratischen Trümmerhaufen nach oben kämpfen: Welche Konsequenzen bringt die Wahl von Trump mit sich? Wie konnten die Prognosen nur so falsch liegen? Was ist aus den Menschen geworden, die vor vier, vor acht Jahren Obama gewählt haben? Es wäre zu verlockend, die Wahrheit zu reduzieren und zu sagen, Obama war einfach hip, Wahlsysteme sind marode, Politik ist nach wie vor ein alter Herrenclub. Aber vielleicht würde so eine einfache Antwort in den Populismus passen, der gerade so en vogue ist. Doch nicht nur wegen der US-Wahl, sondern auch wegen des Brexit und den sich radikalisierenden Strömungen in Europa ist es wichtig, auch außerhalb einer politischen Black Box zu denken.

 

Wir gegen die anderen. Demokraten gegen Republikaner.

 

Der Amerikaner Jonathan Haid liefert eine sozialpsychologische Sicht, eine weniger an politischen Ideologien geknüpfte Perspektive auf den Wahlkampf und schlussendlich auch auf das unfassbare Ereignis, dass Trump tatsächlich gewählt wurde. Es fühlt sich immer noch irreal an, das zu schreiben. Grundlegend wichtig ist demnach zu verstehen, dass Menschen Gruppentiere sind. Und dass es damit unweigerlich ein Wir gegen die Anderen gibt. Für Amerika bedeutet das eine Zweiteilung. Es gibt jene, die John Lennons Imagine leben: keine Grenzen, keine Länder, Liebe für alle. Und jene, welche den Globalismus und offene Grenzen als Bedrohung ansehen, Angst vor Migration und potentieller Fremdheit haben. Kennen wir auch in Europa gerade nur zu gut.

Tatsächlich sinkt laut den PolitikwissenschaftlerIinnen Peter T. Dinesen und Kim M. Sønderskov  bei steigender ethnischer Diversität das Vertrauen in den Staat. Doch die Antwort auf diese Korrelation sollte nicht lauten, eine Mauer zu bauen. Sondern Gemeinsamkeiten hervorzuheben, damit Vertrauen wieder hergestellt werden kann.

 

„Intuition comes first“

 

Dazu kommt, dass diese Wahl eine war, die mit rationalen Argumenten wenig zu tun hatte. Es scheint, als ginge es einzig um Sympathien und Antipathien. Wie sonst kann man verstehen, wie so viele AmerikanerInnen die Augen vor Trumps angsteinflößenden Wahlversprechen, vor seinem Narzissmus verschließen konnten? Nach Haid liegt dies daran, dass Menschen weniger häufig rational denken, sondern aus dem Bauch heraus entscheiden. „Intuition comes first, strategic reasoning second“ ist eine der grundlegenden Annahmen in der Moralpsychologie. Die Kombination aus Demagoge und Internet ist dementsprechend genauso gefährlich wie omnipräsent in diesem Jahr. Denn wenn Wahrheiten ergoogelt und an Klicks festgemacht werden, ist kein Platz mehr für Argumente und einen unabhängigen Blick.

 

Wir sind nicht mehr für etwas. Wir sind dagegen.

 

Das Besondere an diesem Wahlkampf: noch nie war die negative partisanship, wie es Alan Abramowitz und Steven Webster bezeichnen, so um sich greifend. Mit negative partisanship wird das Phänomen beschrieben, dass sich viele Amerikaner eher als „unabhängig“ als parteizugehörig bezeichnen würden, und dementsprechend eher gegen eine Partei stimmen als für eine. Und tatsächlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob Hlilary Clinton als Technokratin und Befürworterin eines Systems, das tatsächlich kritisch zu sehen ist, die Bedürfnisse der Menschen nach Veränderung stillen konnte. Oder zumindest die Illusion aufrechterhalten hätte können.

 

Und wie werden die nächsten vier Jahre?

 

Doch Haid ist kein Befürworter einer der beiden Gruppen, plädiert stattdessen für mehr Verständnis von beiden Seiten. Denn  nur weil man gegen Rassismus und Misogynie abstimmt, bedeutet das nicht, dass ein Staat funktioniert, dass ein System keine Probleme mehr hat. Denn dies sind nur einige der Ängste, die in unserer heutigen Zeit politisch beantwortet werden müssen. Beide Seiten haben ihre Ängste, ihr Prioritäten und können die andere Seite nur schwer verstehen. Haid stellt deshalb die wichtige Frage, ob die nächsten vier Jahre genauso von Meinung und Unverständnis, von Angst und Ekel bestimmt sein wollen, wie das letzte Jahr. Denn wenn nicht, so seine Antwort, sollten wir anfangen, mit der anderen Seite zu reden und zu versuchen, sie zu verstehen.