"Amy" aus Adult Material mit blonder Perücke

Adult Material – Nur für Erwachsene

Seit kurzem findet man in der ARD-Mediathek die Miniserie „Nur für Erwachsene“ (Originaltitel: „Adult Material“). Die 2020 erschienene, britische Dramaserie spielt im heutigen Großbritannien und beschäftigt sich auf gesellschaftskritische Weise mit der Pornoindustrie und gleichermaßen mit Ausbeutung, Feminismus, Sex und Vergewaltigung. Die in der Serie brillanten Darsteller*innen zeigen vielseitige, facettenreiche Charaktere und geben den Zuschauer*innen verschiedene Perspektiven auf die Industrie. An vielen Stellen wird „Adult Material“ bewusst unangenehm und explizit und provoziert so zum Nachdenken.

Handlung

Die 30-jährige Protagonistin Hayley Burrows (Hayley Squires) führt ein offenes Doppelleben, einerseits als Jolene Dollar, die berühmte Pornodarstellerin und andererseits als Hayley Burrows, fürsorgliche Mutter von drei Kindern. Sie verdient gut, kann sich ein Haus leisten und ihre älteste Tochter auf eine Privatschule schicken. Hayley versteckt ihren Beruf weder vor der Gesellschaft noch vor ihrer Familie und wird auch von ihrem Partner Rich (Joe Dempsie) unterstützt, der sich vorwiegend um Haus und Kinder kümmert, aber auch Hayley hinter den Kulissen mit ihrer Social-Media Präsenz und Vermarktung hilft.

Obwohl Hayley erst 30 ist, macht ihr im Verlauf der Serie das fortschreitende Alter zu schaffen, wobei der Druck vor allem von Seiten der Industrie und den Produzenten kommt. Gleichzeitig kümmert sie sich um die 19-jährige Amy (Siena Kelly), die als Neuankömmling am Set ihren ersten Tag hat und in die Pornoindustrie einsteigen will. Amy soll an ihrem ersten Tag für eine Analsexszene einspringen, obwohl das ihre Grenzen überschreitet. Hayley nimmt sich ihrer an und erklärt ihr, dass sie ihre Grenzen deutlich kommunizieren muss und selbst entscheiden darf. Auch die Produzenten meinen, sie würden Amy nicht zwingen. Daher lehnt sie die Szene ab. Hayley geht dann, um ihre Kinder abzuholen. Letztendlich wird Amy gegen eine höhere Gage überredet, die Szene doch zu drehen und erleidet während dem Dreh einen Analprolaps, was in der Pornoindustrie als „Rosebud“ bezeichnet wird. Anstatt einen Krankenwagen zu rufen, wird weitergedreht.

Infolge des Vorfalls fühlt sich Hayley schuldig, Amy im Stich gelassen zu haben. Sie kritisiert den Produzenten Carroll Quinn (Rupert Everett) öffentlich wegen Fahrlässigkeit am Set und entschließt sich später sogar zu klagen.

Im Laufe der Serie kommen auch eigene schlechte Erfahrungen von Hayley ans Licht, die scheinbar ein Sexualtrauma verursacht haben, welches sie in einer Alkoholsucht zu ertränken versucht.

Hayley Burrows (Hayley Squires) alias Jolene Dollar

Thematik und Relevanz

Immer wieder beschäftigt sich die Serie mutig mit dem Thema Einverständnis und Einwilligung in sexuelle Handlungen, wobei sich auch Protagonistin Hayley schmerzhaften Erkenntnissen stellen muss und im Laufe der Zeit daran wächst. Kein Charakter ist makellos, gleichzeitig wird der/die Zuschauer*in aber angeregt, den Entscheidungen der Protagonist*innen weniger urteilend gegenüberzustehen und sich vielmehr einzufühlen.

„Adult Material“ beschäftigt sich mit einem konkreten Bereich der Pornoindustrie, in dem Frauen tatsächlich berühmt werden (können) und teilweise sogar mehr verdienen können als Männer. Mit Unterbezahlung und Zwangsprostitution beschäftigt sich die Serie dagegen nicht. Dennoch setzen sich die Macher mit der Ambivalenz der Industrie auseinander. Frauen scheinen zwar zunächst mehr Einfluss und Entscheidungsmacht zu haben – jedoch scheint die Möglichkeit einer Wahl vollkommen aufgehoben zu werden, sobald das richtige Druckmittel gefunden wird. Dies macht die Serie auch traurig und zeigt eine Ausbeutung auf tieferer Ebene. Letztendlich scheint nicht einmal die erfolgreichste Frau in der Industrie echte Entscheidungsmacht über ihren Körper zu haben.

Es wird deutlich, dass vor allem hinter den Kulissen Männer die Pornoindustrie dominieren und dort die echte Entscheidungsgewalt liegt. Dennoch schafft die Serie, Männer nicht allgemein zu verteufeln oder als Bösewichte und Unterdrücker zu präsentieren. Stattdessen werden überwiegend unterstützende und sensible männliche Charaktere gezeigt, die sich zum Teil aber auch dem Druck der Industrie beugen.

„Adult Material“ berührt auch die Wahrnehmung von Pornographie durch die Gesellschaft, hinterfragt einerseits die Darstellung eines unrealistischen Körperimages insbesondere von Frauen, aber kritisiert gleichzeitig die Verurteilung und Herabwürdigung der Darstellerinnen. Auch wenn die Frauen ein unrealistisches Körperbild zeigen (müssen), sind diese Frauen keine bloße Fiktion, sondern echte Menschen, die gehört werden müssen und Rechte besitzen.

Carroll Quinn (Rupert Everett)

Von Frauen produziert

Nicht nur in den Hauptrollen finden sich starke weibliche Charaktere. Die Dramaserie wurde ebenfalls überwiegend von Frauen produziert, was auch in der Filmindustrie eher selten ist. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Lucy Kirkwood und Dawn Shadforth führte Regie. Auch mit Anna Goodridge als Produzentin sind entscheidungsträchtige Positionen der Serie mit Frauen besetzt.

Es handelt sich um ein Drama mit Höhen und Tiefen und vielseitigen Perspektiven – die Geschichte erzählt nicht von reinen Opfern oder reinen Tätern, sondern jeder Charakter ist facettenreich und hat unmoralische, sowie mitfühlende Momente. Für Zuschauer*innen, die sich mit gesellschaftskritischen Themen auseinandersetzen möchten, lohnt es sich „Nur für Erwachsene“ in der ARD-Mediathek zu streamen.

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Bildquelle: © Endemol Shine UK/Fifty Fathoms/Tereza Červeňová