Spache

„Ideologisch motiviert“ – Sprachwissenschaftler*innen fordern Gender-Stopp bei ARD und ZDF

Der Streit um die Gender-Sprache geht weiter: Rund 70 Sprachwissenschaftler*innen (ja, Männer und Frauen) fordern vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk „eine kritische Neubewertung des Sprachgebrauchs im ÖRR auf sprachwissenschaftlicher Grundlage“.

Die Argumente der selbsternannten Philolog*innen: Das Gendern „missachte gültige Rechtschreibnormen“, produziere „sozialen Unfrieden“ in Zeiten, „in denen ohnehin zahlreiche gesellschaftliche Spaltungstendenzen zu beobachten sind“ und sei rein „ideologisch motiviert“. Auch wenn nicht explizit ein Ende der „sogenannten gendergerechten Sprache“, wie sie im Aufruf genannt wird, gefordert wird, so ist dies mit großer Wahrscheinlichkeit das gewünschte Ergebnis.

Knackpunkt generisches Maskulinum

Weiter wehren sich die Sprachwissenschaftler*innen gegen die Bewertung des generischen Maskulinums als diskriminierende Sprachform – als Beispiel werden Wörter wie „die Person“ oder „der Mensch“ genannt, die jedes Geschlecht bezeichnen können. Sie sind weiter der Ansicht, Gendern führe zu einer „ausgeprägten Sexualisierung der Sprache“ (einer „permanenten Betonung von Geschlechterdifferenzen“) und sei damit ungeeignet, einen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit zu leisten.

Rechtliche Problematik des Genderns?

Außerdem weisen die Unterzeichner*innen dieses Aufrufs darauf hin, dass der Rat für Deutsche Rechtschreibung bereits im März 2021 darauf hingewiesen habe, dass Gender-Sonderzeichen wie das Gendersternchen (Kund*in), Doppelpunkt (Kund:in) und Unterstrich (Kund_in) in rechtlicher Hinsicht problematisch seien, da sie die Verständlichkeit und Eindeutigkeit sowie Rechtssicherheit von Begriffen und Texten beeinträchtigen würden.

Wer will überhaupt Gendern?

Zuletzt wird mit einer Umfrage argumentiert, laut der die Mehrheit der Deutschen das Gendern ablehnt: An dieser Entscheidung der Mehrheit müssten sich ARD und ZDF den Unterzeichner*innen nach orientieren und nicht an der Meinung einer vermeintlichen Minderheit. Die Sender haben die Verpflichtung, „sich in Texten und Formulierungen an geltenden Sprachnormen zu orientieren und mit dem Kulturgut Sprache regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei umzugehen.“

Was ist jetzt eigentlich das Problem?

Bei diesem Thema gilt es also, zum einen die gesellschaftliche und zum anderen die sprachliche Komponente miteinander zu vereinbaren. Laut den Unterstützer*innen dieses Aufrufs sprechen beide gegen das Gendern: Der Großteil der Bevölkerung wolle dies gar nicht und sprachlich mache es auch keinen Sinn. In diesem Kontext darf man aber auch nicht vergessen, dass es zahllose Studien gibt, die die Wirksamkeit von Gender-Sprache unterstreichen. Und wer sich plötzlich Sorgen um die Verständlichkeit der deutschen Sprache macht, hat wohl noch nie ein amtliches Schreiben gelesen – unkompliziert war die deutsche Sprache nie.

Gendersternchen und Co. außerdem die Schuld an gesellschaftlichen Spaltungstendenzen zuzuschieben ist ebenfalls sehr fraglich: Klar kenne ich auch Leute, die vom Gendern nix halten, mit den meisten von ihnen bin ich sogar befreundet. Aber auch die schaffen es, mir keine ellenlangen Vorträge über die „Verhunzung der deutschen Sprache“ zu halten, nur weil ich in meinen Artikeln eben doch Gendersternchen benutze.

Man darf also durchaus hinterfragen, ob dieser Aufruf tatsächlich dem Wunsch der Mehrheit entspricht oder vielmehr selbst eine Minderheitsmeinung darstellt (die wir laut der angegebenen Logik nicht zu beachten bräuchten). ARD und ZDF wollen zumindest weiter gendern.

Mehr zum Thema „Gender“ auf ZEITjUNG gibt es hier:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Pexels; CC0-Lizenz