Alexandra, 25, ist Weinprinzessin

Weil die Sonne kräftig scheint, aber schon tiefer steht, blitzen und funkeln die Krönchen unübersehbar. Also schlängele ich mich durch die Menschenmassen an Biertischen und Buden hin zu dem Tisch, an dem sie sitzt. Als ich an ihren Tisch komme, ist sie ganz beschäftigt mit dem Unterschreiben von Autogrammkarten. Ja, hier sitzt die Prominenz. Und zwar Alexandra – die Weinprinzessin von Würzburg-Heidingsfeld. Wir treffen uns an diesem warmen Montagabend auf einem Weinfest in der Nähe von Würzburg, auf dem sie sich sehen lassen muss. Zusammen mit einigen anderen Mädels in Dirndln und Krönchen sitzt sie hier an einem Biertisch mit einem Gläschen Wein vor sich.

„Die größte Aufgabe ist das Repräsentieren“, schreit sie mir zu, als ich mich auf die Bank ihr gegenüber gequetscht habe. Eine Band spielt im Hintergrund „It never rains in Southern California“, sodass wir uns anbrüllen müssen. Schon beim Herfahren – in die Weindörfchen kommt man nur mit dem Auto – ist mir bewusst geworden, dass sich an diesem Abend der ganze Ort plus Freunden aus Nachbarorten versammelt haben muss, und so finden wir auch keinen ruhigeren Platz. Da jederzeit die offizielle Vorstellung der Weinprinzessinnen beginnen könnte, müssen wir ohnehin in der Nähe bleiben.

 

Mehr als ein kostenloses Besäufnis

 

Ich begreife schnell: Alexandra ist hier nicht nur zum Spaß. Da, wo andere gemütlich ein, zwei, acht Gläschen Wein trinken, arbeitet sie. „Ich bin das Aushängeschild der Weinorte Würzburg und Heidingsfeld. In Franken sind wir stolz auf unsere Weine und deshalb werden die nicht nur in der Flasche, sondern auch in einer Person, also der Weinprinzessin, präsentiert„, erklärt sie mir. Prinzessin hin oder her – zu dieser Aufgabe gehört mehr dazu, als feste Trinkerin zu sein. „Ja, ich darf kostenlos Wein trinken. Aber es kann auch ganz schön stressig werden. Im Sommer sind immer mehrere Weinfeste an einem Wochenende, denen man auch gerecht werden möchte.“ Bei anderen Terminen muss sie wiederum selbst bedienen und zwischendurch immer wieder Autogrammkarten schreiben. Und, was sie sowieso immer muss, ist lächeln und gut aussehen: „Gutaussehen ist auch eine meiner Aufgaben, klar. Wenn jemand in Dirndl und Krone kommt, wirkt das einfach gleich ganz anders, als wenn sich da irgendjemand hinstellt.

 

Dabei ist das Weinprinzessinnen-Dasein immer noch ein Ehrenamt. Hauptberuflich arbeitet Alexandra in einem Heim mit schwererziehbaren Jugendlichen. Und trotz der anstrengenden Schichtarbeit scheint das Amt für sie alles andere als eine zusätzliche Belastung zu sein. „Natürlich zahle ich drauf. Die ganzen Dirndl sind superteuer und die Fahrten überallhin sind auch nicht umsonst„, verrät sie mir und strahlt mir dabei trotzdem so entgegen, dass ich gar nicht anders kann, als ein Stück ihrer Begeisterung zu übernehmen. Und bei dem Satz „Ich liebe meine Heimat und ich liebe es, mich für sie zu engagieren!“ glaube ich ihr endgültig.

 

„Winzertöchter haben das Vorrecht.“

 

Doch, dass sie überhaupt Prinzessin sein darf, ist gar nicht so selbstverständlich. „Winzertöchter haben das Vorrecht„, sagt sie, die keine ist. Die Tradition sieht unverheiratete – ganz streng genommen jungfräuliche – junge Frauen aus Winzerfamilien vor. Ich muss laut lachen. Hätten sie die Regel mit der Jungfräulichkeit beibehalten, wäre die Auswahl wohl deutlich kleiner ausgefallen. „Aber mittlerweile reicht es, wenn man eine Leidenschaft für die Heimat und Wein mitbringt.“ In der Hinsicht gäbe es sicher Wenige, die so geeignet wären wie sie. Alexandra erzählt, dass die Mädels aber tatsächlich unverheiratet bleiben, bis sie die Krone nicht mehr tragen. Die jungen Frauen, neben denen ich hier auf einer Bierbank mit Schlagermusik im Hintergrund sitze, scheinen alle dieses Traditionsbewusstsein zu teilen.

 

Die Gemeinschaft unter uns Weinprinzessinnen ist toll. Am meisten Spaß macht mir sowieso, so viele neue Menschen kennenzulernen. All die Kontakte, die ich in den eineinhalb Jahren knüpfen konnte, werden mich ein Leben lang begleiten„, schwärmt sie. Bis Januar ist sie noch im Amt. Als ich sie nach ihrem Lieblingswein frage, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Silvaner.“ Und als ich frage, wieso, sagt sie nur, „weil er meine Heimat ausmacht.“ Es klingt ein bisschen einstudiert, ein bisschen nach Marketing, aber etwas anderes macht sie ja auch nicht. Sie ist das sehr sympathische Werbegesicht für Würzburgs Wein. Und trotzdem überzeugt sie mich. Oder gerade deshalb, denn einer grinsenden Prinzessin mit Krönchen auf dem Kopf kauft man vermutlich alles ab.

Selbstverständlich hatte sie noch nie einen Kater, nachdem sie als Weinprinzessin unterwegs war. Dafür nimmt sie ihre Aufgabe einfach zu ernst. Aber sie trinkt auch in ihrer Freizeit noch Wein. „Wein schmeckt einfach, Wein passt einfach immer„, findet sie. „Aber die Mineralien und Aromen müssen miteinander harmonieren.“ Ich nicke so, als wüsste ich ganz genau, wovon sie spricht.

 

Tradition und Heimatstolz

 

Da sitzt mir eine so engagierte, junge Frau gegenüber und beeindruckt mich auch mit ihren abschließenden Worten: „Ich finde, die Tradition passt nach wie vor in die Zeit heute. Weil alles nur noch digital ist, vergessen wir die richtige Handarbeit. Bei der Weinlese wird nach wie vor vieles mit der Hand gemacht, darin steckt so viel Arbeit. Daran sollte man sich heute öfter erinnern. Und dafür bin ich auch da.

Nachdem ich mich nach einem Schluck Wein von Alexandra und den anderen Prinzessinnen verabschiedet habe,  schlendere ich durch den Ort, durch dessen winzige Gassen die Klänge der Livemusik schallen, und werde nachdenklich. Die Menschen hier sind stolz auf ihren kleinen Ort und ihren Wein. Ich komme auch aus dieser Gegend und genieße ab und zu ein Gläschen auf einem der Weinfeste. Aber ich hatte noch nie so einen Bezug zu den Traditionen und dem, was Franken ausmacht. Und vielleicht sogar ein paar Vorurteile denen gegenüber, die für immer dort bleiben.

Doch jetzt fasziniert es mich. Alexandras Engagement und unverbesserliche Liebe zur Heimat beeindrucken mich. Und so fahre ich mit einem Lächeln und dem Vorhaben, weniger Vorurteile jungen Menschen gegenüber zu haben, die sich für ihre Heimat einsetzen, nach Hause. Denn nur Dank ihnen gibt es diese Heimat noch so wie sie ist.

 

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Bildquelle: © Alexandra Hutka