Toxische Männlichkeit und der Mythos vom Alphawolf

Toxische Männlichkeit rückt kaum ein Konzept so oft ins Zentrum wie das vom vermeintlichen „Alphawolf“. Dabei ist Wissenschaftler*innen schon lange bekannt, dass es diesen in freier Wildbahn eigentlich gar nicht gibt.

Das betont sogar der Mann, der den Begriff einst mitgeprägt hatte: Der US-amerikanische Verhaltensforscher David Mech verwendete die Bezeichnung „Alphawolf“ in seinem 1970 erschienenen Sachbuch „The Wolf“, das lange Zeit als wissenschaftliches Standardwerk galt. Der Wolf wurde aber bereits zuvor oft mit „männlichen“ Attributen wie Härte, Ausdauer, Tapferkeit und Autorität assoziiert. Der Alphawolf schaffe es durch sein autoritäres Auftreten und seine Dominanz über die anderen Rudelmitglieder an die Spitze der Hierarchie – zumindest, bis ihm dieser Posten von einem anderen Männchen streitig gemacht werde.

Wie der Mensch den Alphawolf schuf

Nun der Knackpunkt: Man untersuchte hierfür Tiere in Gefangenschaft und ging davon aus, dass sich wild lebende Tiere ebenfalls so verhalten müssten. Dabei hat man jedoch außer Acht gelassen, dass sich auf natürlichem Wege entstandene Wolfsrudel ganz anders zusammensetzen als solche, die von uns Menschen in Zoos geschaffen werden. In freier Wildbahn besteht ein Wolfsrudel meist nur aus den Eltern und ihren Nachkommen (denen, die das Rudel noch nicht verlassen haben, um ihr eigenes zu gründen), während in einem Gehege häufiger erwachsene Individuen zusammengelegt werden, die nicht miteinander verwandt sind. Das wäre in etwa so, als würde man Hierarchien und Dominanzverhalten, die in menschlichen Gefängnissen entstehen können, beobachten und anschließend davon ausgehen, dass die ganze menschliche Gesellschaft auf diese Art und Weise funktioniere.