Toxische Männlichkeit und der Mythos vom Alphawolf

Unter Normalbedingungen sind die „Alphawölfe“ eines Rudels also schlicht die beiden Elterntiere, die für ihren Nachwuchs Sorge tragen und dementsprechend auch das Sagen haben. Macht es dann überhaupt noch Sinn, von Alphas zu reden? Diese Frage stellt sich auch Wolfsforscher David Mech, der bereits seit Jahrzehnten versucht, den von ihm mitbegründeten Mythos um den Alphawolf zu beseitigen.

„Welchen Wert hätte es, einen menschlichen Vater als Alphamännchen zu bezeichnen? Er ist einfach nur der Familienvater. Und genau so ist es bei den Wölfen.“

Im Jahr 2022 schaffte es Mech nach Jahren mühsamen Bestrebens endlich, dafür zu sorgen, dass sein Buch „The Wolf“ aus dem Druck genommen wird. Das Konzept des Alphawolfs ist aber schon viel zu stark in den Köpfen vieler Menschen verankert, um einfach zu verschwinden.

Die Verklärung des Wolfs zum Männlichkeitsideal

Unabhängig, abgebrüht und umgeben von Konkurrenten, die ihn von seinem Thron stoßen wollen: Zu viele Männer glauben immer noch daran, dass so das Leben eines Wolfs aussieht und dass unsere Gesellschaft auch so funktioniere.

Dabei sind Wölfe stark familienorientiert, Machtkämpfe sind absolute Ausnahmefälle und selbst Konflikte innerhalb der Familie sind selten. Männchen haben zudem – im Gegensatz zu Hunden und Menschen – beinahe das ganze Jahr über niedrige Testosteronwerte, die lediglich zur Paarungszeit stark ansteigen. Wer also glaubt, dass sie testosterongetriebene Killermaschinen sind, irrt sich gewaltig: Obwohl sie Raubtiere sind, sind Wölfe auch friedfertige Lebewesen, die sich zu liebevollen, kooperativen und beinahe egalitären Familienverbänden zusammenschließen. Es ist somit traurige Ironie, dass ausgerechnet der Wolf zum Wappentier toxischer Männlichkeit geworden ist.

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Bildquelle: Nicky Pe via Pexels, CC0-Lizenz