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Ani & die Reise (4): Und wohin fliegen wir jetzt?

Ein Land nicht meiden

 

Dann wollte ich übergehen zu dem politischen Begriff des „Whataboutismus“, einem rhetorischen Ausweichmanöver. Er ist ein interessantes (Stil)-Mittel in Bezug auf die Frage, in welche Länder wir reisen sollten – und in welche nicht. Wenn jemand also sagt, er würde nicht nach Marokko reisen, weil das Land zu Nordafrika gehört und ja jeder weiß, wie der gemeine Nordafrikaner tickt, könnte man entgegensetzen: what about … the USA? Mit einem sexistischen, vulgären, rassistischen und impulsiven Menschen an der Macht, der nach der ersten Woche im Amt bereits in Rente gehen könnte, weil er seine schlimmsten Wahlversprechen in die Wege leitete?

Die Frage ist: Sind gute Gründe, ein Land zu meiden, nicht vielleicht eher Gründe, genau deswegen dorthin zu reisen? Weil nachhaltiger Tourismus die Bevölkerung unterstützen kann (beispielsweise Indien, indem man Homestays bucht oder in lokalen Restaurants isst), weil Reisen immer den Blick nach innen und außen schärft (beispielsweise Malawi, wo ich mich zum ersten Mal detailliert mit Themen wie Alltagsrassismus auseinandergesetzt habe), weil das Interesse, das einer Reise vorausgeht, auf glückliche und stolze Gesichter in der Bevölkerung trifft (beispielsweise Kolumbien, weil in Medellín die Menschen verdammt stolz auf die Entwicklung ihrer Stadt sind).

 

Das Hinterzimmer eines Landes

 

Ich habe obige Frage jahrelang mit Letzterem beantwortet. Wenn mich ein Land interessiert, dann reise ich dorthin, sofern ich mich damit selbst nicht in unmittelbare Gefahr bringe.
In Bezug auf die USA weiß ich heute keine Antwort. Nach dem Wochenende und dem #muslimban, der vom Präsidenten ausgeht, fühle ich mich als solidarisch verpflichtet, mit den Menschen zusammenzustehen, denen dies nun widerfährt. Vor allem, weil ich selbst weiß, wie schnell sich die Einreise in die Länge ziehen kann, wenn der Reisepartner einen türkischen Namen trägt. Das reicht, um vier Stunden auf die unmenschlichste Art und Weise im berühmt-berüchtigten Hinterzimmer verhört zu werden und als ich die Behörden auf ihre katastrophal unsoziale Art und Weise aufmerksam gemacht habe, wurde nicht mir, sondern meinem Freund gesagt, er „solle mich doch besser in Schach halten können.“

 

Die Länder drumherum

 

Wohin reisen? Die für manche vielleicht ernüchternde Antwort ist: Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Nur mit einer Sache kommen wir meiner Meinung nach nicht weit, egal, ob wir losziehen oder zuhause sitzen: Vorurteile bekräftigen, die andere geschürt haben.

Nach diesem Artikel könnte sich eine erneute Einreise in das Land sowieso als schwierig gestalten. Was ich nie vergessen werde ist außerdem die Information, die uns damals, vor knapp drei Jahren, mit auf den Weg gegeben worden war:

„Passen Sie einmal ins Raster, passen Sie immer hinein“. Heißt im Klartext: Sitzen Sie einmal im Hinterzimmer, sitzen Sie jedes Mal im Hinterzimmer. Eine Aussage der Behörden, die mir von einem Amerikaner mit türkischen Wurzeln bestätigt wurde, der als Flugbegleiter arbeitete und bei jeder Landung durchgecheckt wurde. Und das war die Situation vor 2017.

Schade ist das, ich wollte dieses Jahr so gerne nach Oregon. Wobei: In Mexiko und Kanada war ich auch noch nie.

 

 

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Bildquelle: Anika Landsteiner, Titelbild: Joseph Yates unter CC0 Lizenz

 

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