Straftatbestand Whistleblowing – Des einen Held ist des anderen Verräter

Dem Wikileaks-Gründer Julian Assange werden Spionage und die Veröffentlichung von hunderttausenden geheimen Dokumenten im Bezug zu den Kriegen im Irak und Afghanistan vorgeworfen. Nun droht ihm die Auslieferung und wir alle fragen uns: „Wie konnte das passieren?“

Schließlich hat Assange nicht etwa die Codes für die Atomraketen der USA verkauft: Zu den Enthüllungen gehören Berichte über Kriegsverbrechen, die von US-Streitkräften im Irak und in Afghanistan verübt wurden, darunter die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen. Da wirkt das Urteil eines Londoner Gerichts, einer Auslieferung des Enthüllungsjournalisten in die USA nicht im Wege zu stehen, wie ein schlechter Witz.

Und das ist nicht der erste dieser Art: Edward Snowden, damals noch Mitarbeiter bei der National Security Agency (NSA) löste im Jahr 2013 die „NSA-Affäre“ aus, als der Insider das gesamte Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten aufdeckte. Heute lebt er im unfreiwilligen Exil in Moskau, eine Rückkehr in die USA ist unter den aktuellen Umständen völlig undenkbar.

Die Macht der Perspektive

Whistleblowing ist nämlich Verrat und wird entsprechend bestraft – so die Argumentation der US-Regierung, die im Zentrum der Anschuldigungen steht. Whistleblower gibt es aber nicht nur in Regierungskreisen:

Miroslaw Strecker war LKW-Fahrer, als er 2007 einen Fleischskandal in Wertingen, Bayern aufdeckte. 200 Tonnen an Fleisch, das nicht für den Verzehr durch Menschen geeignet war, wurde bei einem Großhändler umetikettiert und vertrieben. Der verantwortliche Verkäufer wurde verurteilt, doch auch Strecker verlor kurz darauf seinen Job. Seitdem hatte er es ungemein schwer, wieder in der Branche Fuß zu fassen – man will ja nicht riskieren, dass er wieder die Kundschaft verpfeift.