Aufruf zum Muttertag: Weg mit dem überholten Mutterideal!
In unserer Gesellschaft ist das Bild der perfekten Supermutter weit verbreitet. Dieses Mutterideal, das oft auf Social Media und durch Influencerinnen präsentiert wird, stellt Mütter als perfekte Wesen dar, die ihre Kinder immer an erste Stelle setzen und scheinbar mühelos den Spagat zwischen Mutterschaft und Beruf meistern. Die Realität sieht jedoch anders aus.
Mütter unter Druck
Die emeritierte Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität Freiburg, Margrit Stamm, schreibt in einem Gastbeitrag für die NZZ, dass diese Vorstellung vom Mutterideal dazu führt, dass viele Frauen sich überfordert fühlen. Die Erwartungen sind so hoch, dass einige Mütter bis zum Burnout getrieben werden. Nicht selten tragen sie die Hauptverantwortung für die Familie, was zu einem dauerhaften Gefühl des Unterdruckseins führt. Interessanterweise leiden rund 50 Prozent der befragten Frauen unter schlechtem Gewissen und Überforderung.
Diese überhöhten Anforderungen beeinträchtigen nicht nur die Mütter, sondern auch ihre Kinder. Eine zu intensive Mutterschaft kann in eine übermäßige Behütung und Kontrolle umschlagen. Diese erlaubt es dem Kind nicht, sich zu einer eigenständigen Persönlichkeit zu entwickeln. Oftmals leiden die Kinder unter der symbiotischen Beziehung zur Mutter, die ihnen zu wenig Raum zur Entfaltung lässt.
Das kulturelle Mandat
Der von der Gesellschaft aufgebaute Mama-Mythos wirkt sich auch auf das Verhältnis der Geschlechter aus. Dieses Bild der Mutter als zentrale Figur in der Kindererziehung trägt dazu bei, dass Frauen sozial, politisch und ökonomisch benachteiligt sind. Sie nutzen ihr Berufspotenzial nicht voll aus – nicht weil sie nicht wollen, sondern weil die gesellschaftlichen Erwartungen an das Muttersein sie daran hindern.
Daher ist es an der Zeit, diesen Mythos kritisch zu hinterfragen. Die Verantwortung dafür tragen nicht nur die einzelnen Frauen, sondern die gesamte Gesellschaft. Das schließt auch die Verantwortlichen der Familienpolitik, Ärzt*innen sowie Fachleute in der Beratung und Familienarbeit mit ein. Diese Experten sind gefragt, ein realistischeres Bild von Mutterschaft zu fördern und Frauen zu unterstützen, damit sie sich von der Last befreien können, die ihnen durch den Mama-Mythos aufgebürdet wird.
Neuorientierung gefordert
Die Corona-Krise hat laut Stamm diesen Druck noch verstärkt. Viele Mütter haben im Home-Office zusätzliche Verantwortung übernommen, während sie im beruflichen Bereich zurücksteckten. Dies zeigt, dass selbst unter extremen Umständen die tief verwurzelten Erwartungen an die Rolle der Mutter bestehen bleiben. Doch es gibt auch Hoffnung: Auch nach der Krise könnte es ein Weckruf sein, um überholte Rollenbilder endlich zu überdenken und Frauen zu ermöglichen, sich von diesen überzogenen Anforderungen zu lösen.
Zusammengefasst stellt der Mama-Mythos eine gesellschaftliche Erwartung dar, die dringend einer kritischen Überprüfung bedarf. Es ist an der Zeit, diese überkommenen Vorstellungen zum Mutterideal zu überdenken und Frauen zu ermutigen, sich von dem Druck zu befreien, der ihnen durch dieses Ideal aufgebürdet wird. Nur so können wir eine gerechtere Gesellschaft schaffen, in der sowohl Mütter als auch Väter gleichermaßen in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern, ohne sich dabei selbst zu verlieren.
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Bild: Vecteezy; CC0-Lizenz