Terror: Wie die undurchdachte Berichterstattung Attentätern nützt

Terror in Paris. Terror in Istanbul. Terror in Belgien. Europa wird derzeit von einer beispiellosen Anschlagswelle getroffen. Das Ziel der Attentäter formuliert ein mutmaßlicher IS-Anhänger auf Twitter wie folgt: „Ihr bombardiert uns im Orient, also bombardieren wir Euch im Okzident. Auge um Auge, Zahn um Zahn …“ Es geht darum, kriegsähnliche Zustände nach Europa zu tragen.

Mit den Schießereien von Paris ist dies auf beispiellos erschreckende Weise gelungen. Die Bilder, die man heute vom Brüsseler Flughafen zu sehen bekommt, gehen in eine ähnliche Richtung. Ganz zu schweigen von den Razzien gegen Terrorverdächtige, die sich nicht selten zu einem Häuserkampf auswachsen – siehe Saint-Denis im November 2015, als sich dort einige Drahtzieher von Paris über Stunden Schusswechsel mit den Einsatzkräften lieferten. Übertragen wurde das ganze live im Fernsehen.

Angesichts des Ziels der Terroristen, Europa in den Köpfen der Menschen zu einem Kriegsgebiet zu machen, ist manche Berichterstattung über Terroranschläge im Allgemeinen zweifelhaft. Brüssel ist da nur eines von vielen Beispielen, die uns das Geschehen in der Welt derzeit leider liefert.

Häufig scheint es, als fehlte die notwendige Sensibilität. Es gibt dabei drei Dimensionen. Die ersten beiden beziehen sich auf die Auswahl der Bilder, die an die Öffentlichkeit gelangen.

 

Vorsicht bei der Auswahl der Bilder

 

Erstens nützt die Berichterstattung den Terroristen, ihre ideologischen Ziele zu erreichen. Die Bilder, die uns aus Istanbul, Paris oder Brüssel erreichen, haben nicht die Symbolkraft der taumelnden Türme von New York 2001. Doch sie stammen mitten aus dem Geschehen. Es sind Bilder und Videos, aufgenommen und gedreht von Opfern, die sich im U-Bahn-Tunnel befinden, die im Bataclan um ihr Leben fürchten, die auf den Straßen den 11. Arrondissements gerade unter Beschuss stehen. Diese Bilder, geteilt in den Sozialen Netzwerken und über einige Medien verbreitet, bringen die Gefahr, die Angst, das Leid ins Wohnzimmer des Betrachters. Etwas, das man bei Aufnahmen aus Kriegsgebieten normalerweise bewusst verhindert: Kein Blut. Keine Leichen. Keine Schreie. Nur Fernaufnahmen von Bomben, die auf Homs fallen. Warum tut man den Terroristen diesen Gefallen?

Zweitens sind diese Bilder und die Wirkung die sie erzielen Wasser auf die Mühlen extremistischer Parteien und Denker. Nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Neben der AfD in Deutschland und dem Front National in Frankreich profitiert zum Beispiel auch Donald Trump im US-amerikanischen Wahlkampf davon, dass die intime Wucht der Bilder die vorhandene Angst und Unsicherheit der Menschen verstärkt. Im Übrigen befeuert das wiederum das zweite Ziel der Terroristen, die westlichen Gesellschaften – und in ihrer Schwarz-Weiß-Ideologie sogar möglichst langfristig die ganze Welt – zu spalten, Hass zu schüren, Misstrauen zu wecken. Diese Aufgabe führen die rechten Parteien sozusagen als Handlanger der Terroristen fort.

 

Vorsicht bei der Auswahl der Informationen

 

Der dritte Punkt bezieht sich schließlich auf die Auswahl der Informationen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Im Zusammenhang mit den Paris-Attentaten gelangten beispielsweise Ermittlungsdetails an die Presse und so auch in die Hände potenzieller Terroristen. Details, die bei zukünftigen Anschlagsplanungen helfen können. Über die Attentäter von Paris weiß alle Welt, dass sie per Playstation kommunizierten. Wer heute einen Anschlag plant, wird den Behörden diesen Gefallen wohl nicht mehr tun. Einer der mutmaßlichen Attentäter von Paris, so war zu lesen, wurde gefasst, weil eine auffallend große Pizzabestellung den Verdacht über seinen Aufenthaltsort bestätigte. Terrorzellen werden diesen Fehler nicht wiederholen. Selbstverständlich will die Bevölkerung Informationen – nein, sie hat sogar ein Recht darauf. Dennoch ist Schweigen in mancherlei Hinsicht Gold. Ein Umstand, den man eigentlich gut erklären kann.

Terror in Paris. Terror in Istanbul. Terror in Belgien. Wenn Europa das bleiben will, was es noch ist, dann bedeutet Pressefreiheit ausnahmsweise auch, dass bestimmte Dinge nicht gezeigt werden und einige Informationen nicht preisgegeben werden sollten.

 

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BIldquelle: Heinrich Plum unter CC BY-ND 2.0