Berufe: Studie zeigt, wie wenig Geld junge Leute heute verdienen

Es geht uns gut. Keine Frage. Sogar mehrheitlich. Noch. Eine Studie des Guardian zeigt aber, dass es europa- wenn nicht weltweit den Trend zu beobachten gibt, dass Jugendliche und junge Erwachsene immer weniger verdienen. Wie passt das zu unserer Wahrnehmung von Wohlstand? Und was muss gegen diesen Trend getan werden?

Um diese Frage sinnvoll beantworten zu können, muss man sich zunächst einmal vergegenwärtigen, nach welchem Standard man hierzulande im weltweiten Vergleich lebt. Ein anschaulicher Indikator dafür ist der Big-Mac-Index. Er zeigt an, wie viel ein Big Mac in den einzelnen Ländern der Erde kostet. Im Jahr 2016 lag Deutschland mit 3,86 Euro im oberen Mittelfeld. Die Schweiz führt das Ranking mit 6,44 Euro an, am Ende der Liste liegt Venezuela mit 66 Cent. Länder wie Äthiopien oder Syrien kommen in der Liste nicht vor. Der Indikator ist nur bedingt aussagekräftig.

Was er uns aber zeigt, ist: billig ist das Leben in Deutschland nicht. Ganz pauschal, im Vergleich zu anderen Ländern der Erde.

 

Die Entwicklung der Gehälter macht nicht wirklich Mut

 

Um eine Relation zur allgemeinen Entwicklung der Gehälter in Deutschland zu bekommen, ist es interessant, sich die Inflationszahlen und durchschnittliche Gehaltssteigerung in Deutschland anzuschauen. Stellt man Zahlen von 1992 und heute einander gegenüber, sieht man, dass die Inflation bei etwa 42,5 Prozent lag, während die Bruttolöhne um rund 60 Prozent gestiegen sind. Das ist ein Brutto-Gehaltsplus von etwa 17 Prozent. Was von diesem Plus am Ende netto bleibt, steht auf einem anderen Blatt. Ablesen lässt sich das annähernd an der Sparquote der Haushalte in Deutschland. Und die ist seit 1992 von fast 13 Prozent (1992) auf zwischenzeitlich nur noch 9 Prozent (2000 und 2013) gesunken. Auch derzeit liegt sie mit 9,7 Prozent deutlich unter dem Wert von 1992.

Das zeigt: Es scheint den deutschen Haushalten ganz grundsätzlich etwas weniger Geld zur Verfügung zu stehen, als noch vor zwanzig Jahren. Schaut man sich die Entwicklung der durchschnittlichen Einstiegsgehälter an, zeichnet sich dieser Trend noch deutlicher ab. Im Vergleich zu Inflation und durchschnittlichen Gehaltssteigerungen liegt die Steigergungsquote der Einstiegsgehälter deutlich niedriger – 2015 zum Beispiel bei etwa 3 Prozent, was ein Prozent weniger als die durchschnittliche Gehaltssteigerung im selben Jahr ist (4 Prozent). Nimmt man die Jahre zuvor hinzu, in denen die Differenz noch größer war, kommt über die Jahre ein sattes Minus zusammen.

Dieses Bild wird von der Studie des Guardian zum Einkommen der heute 25- bis 29-Jährigen gestützt: Jugendlichen und jungen Erwachsenen von heute stehen fast 20 Prozent weniger Geld für den privaten Konsum zur Verfügung, als ihren Eltern Ende der 1970er Jahre – relativ zum jeweiligen Landesmittel. Das entspricht einem Minus von etwa 5 Prozent unter dem derzeitigen Landesdurchschnitt. „Dieses Problem vor uns herzuschieben, würde unseren Kindern und der ganzen Gesellschaft großen Schaden zufügen“, sagt Angel Gurría, Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Gerade die Mittelklassen seien besonders von dem Problem betroffen – was die Gehälter und die Job-Aussichten im Allgemeinen betrifft.

 

Ein Erklärungsansatz: Die Jugend von heute hat andere Prioritäten

 

Warum wir dennoch das Gefühl haben, es ginge es uns ganz gut? Vielleicht, weil in anderen Ländern eine noch viel dramatischere Entwicklung zu beobachten ist: In Frankreich ist die Differenz zum Landesdurchschnitt bei 8 Prozent (während die Elterngeneration teils noch fast 50 Prozent darüber lag), in Italien ist es sogar ein Minus von 19 Prozent. Es lohnt sich wohl ein Blick nach Australien, wo die jetzigen jungen Erwachsenen 27 Prozent über dem Landesdurchschnitt liegen, während ihre Eltern es auf einen Wert zwischen zwei und 14 Prozent brachten.

Was wir daraus lernen? Zwei Dinge. Erstens: Der Wohlstand, den wir haben, ist nichts, das man als normal hinnehmen sollte. Man muss etwas dafür tun. Wollen die Unternehmen auch weiterhin motivierte Studenten und Absolventen, die wissen, dass sich ihr Aufwand lohnt, dann müssen sie sie auch entsprechend bezahlen. Ansonsten sinken Motivation und Hingabe auf die Dauer mit den fehlenden Perspektiven. Zweitens: Man darf nicht vergessen, dass die heute 25-Jährigen eine vollkommen andere Lebensplanung verfolgen als ihre Eltern im selben Alter. Zeit ist heute zumindest für Teile der Jugend mehr wert als damals, Karriere deutlich weniger. Es könnte sein, dass die jungen Erwachsenen erst fünf bis zehn Jahre später als ihre Eltern wirklich ernsthaft ins Berufsleben und damit in lukrative Jobs einsteigen, als ihr Elterngeneration. Diese Hypothese lässt sich allerdings erst mit den Zahlen von 2026 wirklich verifizieren.

 

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Bildquelle: Matthew Dix via CC0 1.0