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Darum ignorieren ausländische Medien den Einzug der AfD in den Bundestag

Auch fünf Tage nach der Wahl besteht meine Filterblase fast ausschließlich aus #fckafd, heute-show Videos, und Artikeln, in denen zu erklären versucht wird, was genau bei der Wahl eigentlich schiefgegangen ist. Während sich also 86% des wahlwilligen Deutschlands in einer Art Stockstarre befinden, sieht die Situation im Ausland anders aus.

 

Weniger AfD, mehr Merkel

 

Aufgefallen ist mir das schon vor der Wahl, als mich meine internationalen Freunde gefragt haben, was ich denn wählen würde – Schulz oder Merkel? Auf meine Antwort (“Keinen von beiden”) folgten verwirrte Gesichter. Die britische und australische Presse hatten den deutschen Wahlkampf als eine deutsche Version der US-Präsidentschaftswahl charakterisiert, und jegliche andere Wahlmöglichkeiten außen vor gelassen. Und, als ich schließlich am Sonntag meine Fassungslosigkeit bei eben diesen Freunden zum Ausdruck gebracht habe, stiftete ich wieder Verwirrung: Merkel hat doch gewonnen, freut dich das denn nicht? Die internationalen Pressereaktionen fallen tatsächlich erheblich anders aus. In den Niederländern ist die Schlagzeile am nächsten Tag ein schlichtes “Merkel macht weiter”, während der BBC Breaking-News-Alert die AfD immerhin im Nebensatz nennt. Ähnliches gilt für die australische, amerikanische und französische Presse. Der Großteil der Artikel zum Wahlabend fokussiert sich auf Merkels nun bevorstehende vierte Amtszeit, Schulz wird als der Verlierer dargestellt. Auch wenn der Einzug der AfD in den Bundestag erwähnt wird, bestimmt er keinesfalls so sehr den Ton wie bei uns. Woran liegt das?

 

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Merkel ist – und bleibt – das Gesicht der EU

 

Eine Wiederwahl Merkels bedeutet vor allem für das EU-Ausland erst mal: es wird sich nicht viel ändern. Dass innenpolitisch gerade ein Umschwung in Deutschland stattfindet, ist dann erst mal nebensächlich. Denn mit Merkel und der CDU als Regierungspartei, unabhängig von den Koalitionspartnern, bleibt Deutschland der wichtigste Akteur in der EU. Lediglich Macrons Frankreich sieht die FDP, als möglichen Koalitionspartner, als eine eventuell schwierige Entwicklung. Die AfD hat im Ausland kein Gesicht. Während uns Deutschen die vielen Gesichter der AfD leider allzu bekannt sind, sind sie eben doch das: viele. Gauland, von Storch, Weidel und bis vor Kurzem noch Petry haben sich in Deutschland schnell bekannt gemacht. Aber der AfD fehlt eben eine zentrale Figur, die so polarisiert, dass sie auch im Ausland Aufsehen erregt. Das ist bei den Niederländern Geert Wilders, in Frankreich Marine Le Pen und natürlich unser aller Lieblingspräsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump. Diese geben ihren rechtspopulistischen Parteien ein (unschönes) Gesicht, und somit international mehr Profil.

 

Deutschland ist ein Populismus-Nachzügler

 

Tatsächlich ist Deutschland spät dran, was den Einzug einer rechtspopulistischen Partei in das Parlament angeht. Der französische Front National und die Niederländische PVV sitzen schon seit Jahrzehnten im Parlament der Franzosen bzw. Niederländer. Dazu kommt, dass die AfD ja „nur“ die drittmeisten Stimmen bekommen hat, während sowohl Le Pen als auch Wilders zeitweise kurz vor dem Wahlsieg standen. Und somit wirkt die Wahl in anderen Ländern einfach weniger schockierend als bei uns.