Mädchen im Spiegel

Burka oder Mini-Rock?

Am Nachmittag in der Fußgängerzone plärrt man noch lautstark gegen die scheinbare Unterdrückung der Frauen mit Kopftuch, die vorbei laufen. Abends im Club dann wird die Frau im kurzen Rock mal eben als „leicht zu haben“ abgestempelt. Margarete Stokowski schrieb in der TAZ sarkastisch: „Falls ihr eine Burka tragen wollt: bloß nicht! Zeigt mehr Haut! Falls ihr gerade nackt seid: Zieht euch gefälligst was an, ihr Schlampen!“ Aber warum steht die Kleidung von Frauen eigentlich stets im Fokus des Verurteilungs-Zooms, während Männer frohen Mutes oberkörperfrei durch die Welt laufen dürfen? Warum kümmert sich eigentlich die ganze Welt darum, was wir tragen dürfen und was nicht?

 

Barbies Kleiderschrank

 

Es beginnt bereits in der Spielzeugkiste voller Rollenklischees und gesellschaftlicher Vorurteile. Früh werden wir getrimmt aufs Mädchen- oder Jungesein. Auf Blau oder Rosa. Auf Barbie oder Superman. Doch während den Jungs weitgehend Adjektive wie stark, schnell und groß mit der Actionfigur eingeprügelt werden (was ohne Frage ebenso scheiße ist!), werden Mädchen zur Oberflächlichkeit erzogen. Barbie, der Albtraum in Alice Schwarzers schlaflosen Nächten, ist da nur ein Beispiel. Während die Jungs ihre Bagger und Autos und Legosteine durch die Gegend wirbeln, spielen Kleidung und Aussehen schon bei dreijährigen Mädchen eine große Rolle. Baby-Born wird an- und wieder ausgezogen, die Schminkpuppe gestylt und die Barbiepuppe in schöne Posen zurechtgebogen.

Früh lernen Mädchen, wie wichtig es ist, das „Richtige“ anzuziehen. Wer seiner Barbie in jugendlicher Euphorie die Haare mit der Bastelschere absäbelt, erfährt die bestürzte Reaktion der Mutter: „Oh nein, jetzt sieht sie ganz hässlich aus.“ Und schon weiß man: hässlich, das ist schlecht. Komische Haare und zerrissene Kleider auch. Die Jungs, die sich im Dreck wälzen, lernen wir Mädchen, die sind nun mal Jungs. Die müssen so sein. Aber wir Mädchen, wir sind sauber und süß und zu hübsch für Schlamm. Wir sollen verdammt noch mal unsere Puppen weiter aus- und wieder anziehen. Für später üben halt.

 

Muslimische Feministinnen und nackte Frauenbeine

 

Wenn Frauen dann heranwachsen, scheint man ihnen immer noch nicht zuzutrauen, sich richtig kleiden zu können. Alles stimmt irgendwie nicht so richtig. Die Frau als Knetpuppe der Gesellschaft. Zu viel anhaben darf sie nicht, zu wenig aber auch nicht. Frauen, die gerne mal einen kurzen Rock und hohe Schuhe tragen, sind nuttig und verachtenswert. Wollen Aufmerksamkeit erheischen. Uns schön machen sollen wir ja schon. Aber nicht zu sehr, bitte!

Auf der anderen Seite sind Frauen, die Kopftuch tragen, natürlich sehr bedauernswert, weil sie das ja niemals von selbst anziehen würden. Doch! Verdammt noch mal. Wenn sich eine Frau entschließt, Burka oder Kopftuch zu tragen, dann ist es ihr gutes Recht. Und unsere Pflicht ist es, das zu akzeptieren und nicht zu denken: „Ach, die Arme.“ Denn auch eine Frau mit Kopftuch kann ein befreites, selbstbestimmtes Leben führen, ob ihr’s glaubt oder nicht.

Und wir Frauen lassen uns auch noch davon beeinflussen, was man uns da so vor die Nase setzt. Und steigen teilweise in die Hetze mit ein. Weil wir nie etwas anderes gelernt haben, als uns den Maßstäben zu fügen, die uns für unsere Kleiderwahl mit auf den Weg gegeben worden sind. Von Müttern, Mitschülern und Lehrern. Und irgendwann haben wir dann nicht mehr Papas altes Hemd aus dem Schrank gekramt, sondern von ganz alleine den knielangen Rock und die Bluse angezogen. Bis schließlich Modezeitschriften und Fernsehserien für uns bestimmt haben, was getragen wird.

 

Kein Bock auf Kleiderordnung!

 

Es muss endlich mal Schluss sein mit dieser Oberflächlichkeit. Mit dem Abstempeln. Auch wenn es nicht einmal „böse“ oder diskriminierend gemeint ist. Wenn Frauen doch gleichberechtigt sind, dann lasst sie auch verdammt nochmal tragen, was sie wollen! Lasst sie in High Heels durch die Welt stolzieren oder in Burkas durch die Innenstädte flanieren. Lasst sie kurze Röcke tragen oder Röcke, die bis zum Knöchel gehen, oder was immer sie wollen, ohne eure Meinung darüber abzulassen! Die interessiert nämlich schlichtweg niemanden. Jeder hat das verdammte Recht, sich so anzuziehen, wie er oder sie will. Sei es mit mehr oder mit weniger Stoff. Natürlich ist Kleidung auch immer ein Statement. Aber bei manchen Statements hat man einfach wirklich keinen Bock, sich jede noch so undifferenzierte Meinung dazu anhören zu müssen.

 

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Bildquelle: Mateus Lunardi Dutra unter CC BY 2.0